#7 - Wie unterstützt Ergotherapie Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen?
Sarah erklärt anhand einer Studie aus Frankreich, wie Ergotherapie Menschen mit Demenz und die pflegenden Angehörigen in ihrem Alltag unterstützen kann. Wir diskutieren Inhalte und Auswirkungen der Therapie und stellen passende Leitlinien vor.
Geschichten aus dem Alltag: Sara hat eine dramatische Nacht hinter sich. Daniel stellt eine
Kuschelstudie vor. Und Sarah berichtet wie Digitalisierung und ET Pro in ihrer Praxis zusammenpassen.
Lust auf mehr Evidenz für dein Team?
- ET Pro auf der Homepage des DVE
- Homepage der Deutschen Alzheimergesellschaft
- Die nationale Demenz Strategie des Bundes
- S3 Leitlinie Demenzen inklusive Patienteninformationen
- S3 Leitlinie Pflegende Angehörige von Erwachsenen inklusive Broschüren
Literaturtipp 1: Es ist nicht alles Demenz von Eva Helms
Literaturtipp 2: Kostenlose Leseprobe von Das Herz wird nicht dement von Udo Baer und Gabi Schotte-Lange
Literaturtipp 3: Still Alice – Mein Leben ohne Gestern von Lisa Genova
Und die Studie dieser Folge ist: Pimouguet, C., Le Goff, M., Wittwer, J., Dartigues, J.-F., & Helmer, C. (2017). Benefits of occupational therapy in dementia patients: Findings from a real-world observational study. Journal of Alzheimer’s Disease, 56(2), 509–517.
Intro: Hintergrundmusik, die sich langsam steigert. Eine Stimme sagt: Evidenz auf die Ohren, der Podcast für evidenzbasierte Ergotherapie.
00:00:25 Sara Mohr: Hallo und herzlich Willkommen zu einer neuen Folge Evidenz auf die Ohren. Wir beschäftigen uns mit Studien in der Ergotherapie. Wir, das sind…
00:00:33 Sarah Bühler: Sarah Bühler.
00:00:36 Daniel Nicht: Daniel Nicht.
00:00:38 Sara Mohr: Und ich, Sarah Mohr. Hallo, ich freu mich, dass ihr da seid. Geht es euch gut?
00:00:48 Daniel Nicht: Ja, durchaus.
00:00:50 Sara Mohr: Sehr schön, wollen wir direkt mit Geschichten aus dem Alltag starten?
00:00:55 Daniel Nicht: Gerne, habt ihr was, sonst fange ich an?
00:00:57 Sara Mohr: Ich kann das Drama meines Morgens erzählen
00:01:00 Daniel Nicht: Oh das, das klingt wie ein guter Start.
00:01:05 Sara Mohr: Es war das Drama einer ganzen Nacht. Es ist gerade 06:30 Uhr am Morgen. Ich bin seit 05:00 Uhr wach, wir waren aber heut Nacht auch wach ein paar Mal… Es gab kein richtiges Unwetter, aber es hat geregnet, wie ich es noch nie in meinem Leben hab regnen sehen. Es war richtig laut. Auf jeden Fall gestern Abend vorm Einschlafen dachte ich:“Ach ja, toll morgen früh Podcast, heute verschlaf ich mal nicht.“ Ich stell mir den Wecker und erzähle meinem Partner ganz stolz, wie schlau ich bin, dass ich meinen Laptop auf der Arbeit gelassen habe, damit ich ihn morgen nicht auf die Arbeit schleppen muss. Und dann, sagt er, ist es wirklich so schlau, denn du brauchst ihn ja für die Podcast Aufnahme? Ich möchte diese Podcastfolge gerne meinem Partner widmen, der heute Morgen um 05:00 Uhr im Regen mit dem Fahrrad auf die Arbeit gefahren ist und meinen Laptop abgeholt hat, damit ich ihn hier habe. Ich kann gar nicht so viel Kaffee kochen, wie er verdient. Ja, das war meine Geschichte aus dem Alltag. Wenn es heute im Hintergrund rauscht, ist das der Regen.
00:02:28 Daniel Nicht (lacht): So lange Australien nicht wegschwimmt. Ich starte mit meiner Geschichte aus dem Alltag. Mir ist auf der Arbeit die DVE Zeitschrift Ergo und Reha in die Hände gefallen und ich habe ein bisschen durchgeblättert. In der aktuellen Ausgabe habe ich so einen kleinen Studienteil mit der Überschrift: Eine Umarmung ist die beste Medizin gefunden. Ich kann auch jedem nur raten, diese Rubrik zu lesen. Das sind wirklich ganz kleine Artikel. In dieser Ausgabe der Zeitschrift wurde eine Studie beschrieben, die sich mit kuscheln befasst hat. Kurz zusammengefasst: 400 Freiwillige, die wurden quasi in Gruppen aufgeteilt. Es gab eine Kuschel-Gruppe und eine Nicht-Kuschel-Gruppe. So würde ich es mal nennen also.
00:03:20 Sara Mohr (skeptisch): Mussten die miteinander kuscheln oder konnte man sich aussuchen, mit wem man kuschelt?
00:03:25 Daniel Nicht: Moment nee, ich muss das revidieren, genau wie ich gleich noch was zu unserer letzten Studie revidieren muss. Nein, es waren 400 Freiwillige und da wurde gemessen, wieviel soziale Nähe sie hatten, unter anderem auch kuscheln. Nach einer Zeit von 14 Tagen wurden sie mit einem ganz leichten, nicht schlimmen Virus infiziert und mussten in Quarantäne.
00:03:56 Sara Mohr: Okay, die Stimmung ist schnell abgestürzt. Von Kuscheln zu Virus.
00:04:08 Daniel Nicht: Zurück zum Outcome. Die Menschen, die höhere Zahlen, also mehr körperlichen Kontakt hatten, bei denen waren die Symptome geringer oder der Virus ist gar nicht ausgebrochen.
00:04:25 Sara Mohr: Und das liegt nicht nur am sozialen Kontakt, sondern tatsächlich am Körperkontakt? Ja, schön.
00:04:33 Daniel Nicht: Genau und deswegen habe ich mir jetzt auf die Fahne geschrieben, weil ich eben schon geboostert bin und gerade eine Person in meinem Leben habe, mit der ich sehr gut kuscheln kann, dass ich das jetzt ganz viel mache. Ich möchte jeden dazu einladen, der geimpft genesen und geboostert ist, das auch zu tun.
00:04:33 Sarah Bühler (lacht): Okay. Alles klar. Kommen wir zu meiner Geschichte aus dem Alltag. Ich kann noch einen Nachtrag bringen und zwar hatten wir das letzte Mal über ET Pro gesprochen. Ich hatte erzählt, dass ich plane auf das Treffen zu gehen. Ich war da und das war echt cool. Das war wieder super moderiert und strukturiert. Ich finde es immer schön, wenn es einen klaren Zeitrahmen gibt. Es ging circa eine Stunde. Es wurden kurz einige Teile aus dem ET Pro vorgestellt und dann konnte man sich in kleinen Räumen zu bestimmten Themen austauschen bzw. speziellen Themen Fragen stellen. Die Projektgruppe hat Feedback gesammelt, um das zu überarbeiten. Es gibt wohl auch schon erste Änderungsvorschläge. Um was für Änderungswünsche es sich handelt weiß ich gar nicht, weil mich hat eher die Technik interessiert. Für mich stellt sich die Frage: Wie krieg ich das in mein digitales Doku Programm eingebunden, weil in meinem Programm das mit der beschreibbaren PDF schwierig ist, tatsächlich. Und zwar hat der DVE oder die Projektgruppe Kontakt aufgenommen zu einer Hochschule und die entwickeln jetzt eine Anleitung für die Software Unternehmen, die in der Ergotherapie tätig sind, damit die das dann entwickeln können.
00:06:28 Sara Mohr: Damit die Softwareunternehmen das umsetzen können? Die müssen das ja alle einzeln implementieren, aber klar wenn du denen so eine Anleitung an die Hand gibst, das ist natürlich cool.
00:06:36 Sarah Bühler: Genau. Und was wohl das Schwierige ist, warum das jemand externes macht, wenn ich das richtig verstanden habe, ist, dass man ja auch mit dem ET Pro Daten sammeln will, ein Stück weit, um daneben Sachen auch für Studien nutzen zu können. Und das muss ja irgendjemand machen, oder eine Anleitung schreiben, dass das auch einheitlich ist. Ich hoffe, ich hab das jetzt so erklärt wie das auch im Sinne der Projektgruppe ist. Wenn nicht nehmen wir da gerne Feedback dazu.
00:07:13 Sara Mohr: Einen Link zum ET Pro machen wir nochmal in die Shownotes.
00:07:18 Daniel Nicht: Weißt du ob es da, wenn jetzt Leute sagen Oh, das hätte mich auch interessiert, weißt du ob es dann nochmal ne zweite Info Veranstaltung geben wird oder sowas?
00:07:27 Sarah Bühler: Ich glaube ja, weiß aber nicht wann. Aber ich glaube also Ziel ist schon, dass das ist ja was…Also Doku ist ja immer was, daslebt, ne also das muss man ja weiterentwickeln mit den aktuellen Entwicklungen, die es eben gibt. Also ich glaube nicht, dass das irgendwann ein abgeschlossenes Projekt sein wird, sondern es wird eine Version geben und dann wird es Update geben und die wird man bekommen, wenn man es erworben hat.
00:07:53 Daniel Nicht: Also ich bin da auch drauf gespannt.
00:07:54 Sara Mohr: Ja cool, dass das technisch so eingebunden wird.
00:07:58 Daniel Nicht: Wir haben auf der Arbeit, auch das ET Pro angeschafft, allerdings ist das bei uns im Klinik Setting halt total schwierig in das bestehende Programm zu implementieren. Deswegen wird es noch nicht so stark genutzt, wie es bedienen könnte. Wir haben aber die Tendenz, dass wir uns für den Ambulanz Bereich Ergotherapie halt auch ein Anbieter wie Starke Praxis oder wie heißen die noch?
00:08:27 Sarah Bühler: Theorg oder Medifox…
00:08:58 Daniel Nicht: Gibt es gibt verschiedene Anbieter ja, genau. Da überlegen wir gerade, ob wir uns sowas anschaffen werden, ob das mit unserer IT machbar ist? Dann geht es auch ganz, ganz viel darum, ob das mit der Datenschutz Rechten in Deutschland alles funktioniert, weil wir eine Klinik sind und die da ganz starken Wert drauf legen. Und wenn das der Fall ist, dann können wir das ET Pro, wie du das so sagst, wahrscheinlich auch besser integrieren. Das würde ich mir dann glaub ich auch nochmal auf die Fahne schreiben bei der Argumentation, was denn der Vorteil ist, wenn wir das integrieren. Danke für den Hinweis.
00:09:09 Sara Mohr: Ja super. Dann so viel zu unserem Alltag. Sarah, du hast uns ja- Nee, warte, bevor wir mit der Studie starten, hat Daniel noch einen Nachtrag zur letzten Folge.
00:09:24 Daniel Nicht: Also, mir ist aufgefallen beziehungsweise nicht mir, sondern Sara ist aufgefallen, dass ich in der Interpretation der letzten Studie einen Fehler drin hatte. Das möchte ich kurz revidieren, und zwar in der letzten Studie haben wir davon gesprochen und uns auch hinterher ein bisschen echauffiert, dass der Studienzeitraum ja nur einen Monat war.
00:09:46 Sara Mohr: Das war eigentlich unser einziger großer Kritikpunkt an der Studie.
00:09:46 Daniel Nicht: Sagen wir, es war ein Kritikpunkt an mir, ich hab mich verlesen. Das Follow up, das dauerte einen Monat. Die Studie dauerte 3 Monate. Also ist unser größter Kritikpunkt nochmal zu betrachten.
00:10:13 Sara Mohr: Eigentlich ne ganz coole Studie, also nehmen wir alles zurück.
00:10:16 Daniel Nicht: Ja genau und in diesem Sinne nehme ich mit, dass ich viel genauer lese, wenn ich die Studien vorbereite.
00:10:25 Sara Mohr: Wir sollten alle genauer nochmal reingucken, bevor wir über so einen Teil der Studie schimpfen (lacht).
00:10:35 Sarah Bühler: Das gehört dazu.
00:10:39 Daniel Nicht: Also in diesem Sinne wir sind nicht perfekt und
00:10:42 Sara Mohr: Nein, das war auch nie der Anspruch.
00:10:45 Daniel Nicht: Wir machen das mehr als Freude an Studien.
00:10:50 Sara Mohr: Apropos Freude an Studien: Sarah welche Studie hast du uns heute mitgebracht?
00:10:56 Sarah Bühler: Ich hab uns eine Studie mitgebracht zum Thema Demenz.
00:11:00 Sara Mohr: Das ist cool, weil das wurde sich gewünscht. Wir kriegen mittlerweile von euch – vielen Dank, liebe zuhörende – Wir kriegen mittlerweile von euch ganz viele Nachrichten, was ihr für Themen spannend und interessant findet und das war auch ein gewünschtes Thema.
00:11:14 Sarah Bühler: Genau ja, ich hab allerdings einen kleinen Oldie mitgebracht, aber ich kann ich sag mal später auch, warum ich die mitgebracht habe. Genau, die Studie ist von 2017, sie heißt Benefits of Occupational Therapy in Dementia Patients: Findings from a Real-World – Jetzt kommt das schwierige Wort für mich – Observational Study. Und die Studie ist aus Frankreich, wurde dort an einer Universität gemacht. Genau so viel zu den harten Daten.
00:11:54 Daniel Nicht: Wie sagt man Ergotherapie auf Französisch?
00:11:56 Sarah Bühler: Ach Daniel.
00:11:58 Sara Mohr: Ergotherapie. It is literally the same.
00:12:01 Sara Bühler: Wirklich?
00:12:02 Sarah Mohr: Ja wirklich.
00:12:03 Sarah Bühler: Ich dachte vielleicht occu…
00:12:06 Sara Mohr: Nee, das ist im englischen Sprachraum. Die Franzosen sagen auch Ergotherapie.
00:12:11 Sarah Bühler: Woher weißt du das?
00:12:13 Sara Mohr: Ich habe eine Französin bei mir im Masterstudiengang.
00:12:20 Sarah Bühler: Also Forschungsfrage war: Wie beeinflusst die Ergotherapie die kognitiven, die funktionellen und die verhaltensbezogenen Fähigkeiten und die Lebensqualität von Menschen mit Demenz? Und wie beeinflusst die Ergotherapie die Belastung der pflegenden Angehörigen und die informelle Pflege?
00:12:44 Sara Mohr: Das ist ja immer noch ein ganz wichtiger Punkt gerade bei Demenz Erkrankungen, die Angehörigen.
00:12:50 Sarah Bühler: Genau und dann wurde noch geschaut oder die wollten noch Faktoren identifizieren, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Klient*innen von Ergotherapie profitieren.
00:13:06 Sara Mohr: Also wir wollen wissen hilft Ergotherapie Mensch mit Demenz? Wir wollen wissen hilft Ergotherapie Angehörigen von Menschen mit Demenz und wem hilft es eigentlich genau?
00:13:21 Sarah Bühler: Cool, oder?
00:13:22 Daniel Nicht: Ja also, es ist eine sehr große Fragestellung, aber ja sehr cool.
00:13:31 Sarah Bühler: Was haben die jetzt gemacht? Die haben in der Region im Südwesten von Frankreich ambulante Einrichtungen angeschrieben. 28 Stück und gefragt Wer kann Teilnehmende zur Verfügung stellen? Darauf haben 16 Einrichtungen geantwortet und es konnten über einen Zeitraum von 6 Monaten 421 Teilnehmende rekrutiert werden.
00:13:57 Sara Mohr: Wow, das ist viel hm.
00:14:00 Sarah Bühler: Dann gab es 3 Test Zeitpunkte beim Start der Therapie wurde eine Baseline erhoben, eine dreimonatige Intervention und dann ein Follow Up nach weiteren 3 Monaten.
00:14:14 Sara Mohr: Das heißt, es haben sich Ergos gemeldet und haben gesagt hier, ich behandle Klient*innen mit Demenz, wir würden gerne teilnehmen an der Studie?
00:14:24 Sarah Bühler: Nicht die haben teilgenommen, sondern die Demenzpatient*innen.
00:14:28 Sara Mohr: Okay.
00:14:28 Daniel Nicht: Da habe ich noch eine Frage. Also die Studie beschäftigt sich ja auch mit den Angehörigen. Wurde da auch, also sind in der Teilnehmerzahl auch Angehörige mit gefasst oder sind das rein Demenzerkrankte?
00:14:43 Sarah Bühler: Genau nee, das sind auch die Angehörigen mit dabei. Ich kann dir jetzt gar nicht die genauen Zahlen sagen, ich würde noch zu den Einschlusskriterien kommen und da kommt dann auch nochmal die Angehörigen vor. Und zwar ist jetzt die Frage wer konnte da letztendlich teilnehmen? Und zwar war wichtig, dass sie eine ärztliche Verschreibung für Ergotherapie hatten. Ja.
00:15:07 Sara Mohr: Das wird in Frankreich ja genauso sein wie in Deutschland. Vermutlich, dass du nur mit einer Verordnung behandeln kannst.
00:15:09 Sarah Bühler: Gehe ich auch davon aus genau. Dann sollten Sie die Diagnose Demenz haben. Es wurde jeder eingeschlossen, der die Diagnose hat, und die Diagnose musste aber von einer*m Spezialist*in gestellt werden.
00:15:23 Daniel Nicht: Das heißt Facharzt*ärztin?
00:15:25 Sarah Bühler: Facharzt*ärztin ja, dann wurden vor allem Teilnehmende gesucht, die noch im frühen Stadium von einer Demenz sind. Das Stadium der Demenz haben die mit dem Mini Mental Status Test gemessen. Und da sollte die Punktzahl zwischen 18 und 15 liegen.
00:15:45 Sara Mohr: Das heißt, sie hatten auch eine Obergrenze, also man durfte nicht…
00:15:49 Sarah Bühler: Nee, die hatten tatsächlich keine Ausschlusskriterien.
00:15:51 Sara Mohr: Ich weiß gerade nicht mehr auswendig, wie der Cutoff Wert vom Mini Mental ist…
00:15:59 Daniel Nicht: Ich finde es gut, dass sie den MMST genutzt haben, weil der ist ja relativ bekannt ne also den hab ich auch schon genutzt.
00:16:06 Sara Mohr: Er ist bekannt, er ist glaube ich, auch umsonst zu haben. Ja, und aber ist der so valide?
00:16:12 Daniel Nicht: Genau das wollte ich noch fragen.
00:16:13 Sara Mohr: Und jetzt lehne ich mich aus dem Fenster, ich hab irgendwo in meinem Hinterkopf, dass es damals Kritik dran gab.
00:16:21 Sarah Bühler: Kann ich dir jetzt nicht sagen, ich weiß aber, dass der zur Diagnostik auch in Deutschland viel eingesetzt wird.
00:16:26 Sara Mohr: Ja, weil er einfach super einfach und super schnell durchzuführen ist, also der ist halt super ökonomisch, ne? Ich recherchiere das gerade, also die einzige Kritik, die ich jetzt spontan finde ist das der MMST wohl nicht nur auf Demenz Erkrankungen sensitiv reagiert, sondern zum Beispiel auch bei Depressionen.
00:16:48 Sarah Bühler: Mhm genau da wird meistens das stimmt tatsächlich also hier in der Gedächtnis Ambulanz, die machen immer auch noch einen Test für Depressionen mit und die schlagen häufig beide aus und dann wird immer nochmal geguckt.
00:17:03 Sara Mohr: Du hast ja zusätzlich die Diagnostik durch den Spezialisten, also kannst du dir sicher sein, dass die Person eine Demenz hat und dann ist der MMST ja okay.
00:17:13 Sarah Bühler: Ja, was häufig, ja dann auch noch so ist. In der Therapie in der medikamentösen Therapie von Demenz werden ja häufig auch Antidepressiva genutzt.
00:17:23 Sara Mohr: Hm okay, du bist ja Expertin. Sarah ist die Demenz Expertin hier im Team, sie ist nämlich Demenz-Fachtherapeutin. Deshalb finde ich gut, dass du diese Studie vorstellst und nicht Daniel und ich hier nicht irgendeinen Quatsch labern.
00:17:43 Daniel Nicht: Das wusste ich gar nicht.
00:17:46 Sarah Bühler: Ist nicht so ein großes Ding.
00:17:51 Sara Mohr: Sehr bescheiden.
00:17:54 Sarah Bühler: Ja, genau ja, ich finde das Thema super spannend und habe mich damit bisschen intensiver auseinandergesetzt. Tatsächlich finde ich es aber manchmal schwierig, die Inhalte ergotherapeutisch zu nutzen, weil das nicht so viel betätigungsorientiert war.
00:18:12 Sara Mohr: Ganz kurz Nachtrag zum Mini Mental, sorry, der Cutoff Wert liegt bei 24 wenn du unter 24 Punkten bist, sagt man okay, da stimmt irgendwas nicht.
00:18:25 Daniel Nicht: Darf ich kurz einhaken? Wie hast du das so schnell recherchiert? Was ist jetzt dein Weg, das so schnell zu recherchieren?
00:18:32 Sara Mohr: Für den Mini mental? Wikipedia (lacht).
00:18:35 Daniel Nicht: (lacht) Verdammt! Schneiden wir raus!
00:18:38 Sarah Bühler: Gut, also Leute Einschluss Kriterien, ich fasse nochmal zusammen: Verschreibung für Ergotherapie, Diagnose Demenz von einer*m Spezialist*in, frühes Stadium der Demenz, das bedeutet in dem Fall Werte im Mini mental von zwischen 18 und 15 und Alltagseinschränkungen. Das war so der Wunsch. Es gab aber keine Ausschluss Kriterien.
00:19:09 Sara Mohr: Okay. Jeder darf mitspielen.
00:19:12 Sarah Bühler: Genau man muss nicht alles erfüllt haben. Was wichtig war: die konnten nur in die Studie inkludiert werden, wenn sie den Hausbesuchen zugestimmt haben.
00:19:25 Sara Mohr: OK.
00:19:25 Sarah Bühler: Weil die nationale Demenz Strategie in Frankreich Hausbesuche für Ergotherapie sehr sinnvoll findet.
00:19:33 Sara Mohr: Ah wie toll das finde ich auch sehr sinnvoll.
00:19:36 Sarah Bühler: Das ist der Grund, warum ich die Studie ausgesucht habe. In der Einleitung beschreiben die so toll wie Ergotherapie Demenz unterstützen kann, zu Hause betätigungsorientiert, kompensatorisch und Stärkung der Angehörigen; das sind die Ziele der Demenz Strategie dort und die sagen Ergotherapie kann maßgeschneidert die Probleme der Klient*innen und Angehörigen thematisieren. Ist das nicht toll?
00:20:02 Sara Mohr: So schön.
00:20:06 Sarah Bühler: Genau also es wurden auch die pflegenden Angehörigen befragt, es dürften aber auch Klient*innen teilnehmen, die keine Angehörigen hatten.
00:20:24 Sara Mohr: Okay, die also noch selbstständig alleine gelebt haben, dann quasi.
00:20:26 Sarah Bühler: Genau ja, das waren insgesamt von den 400 Teilnehmenden, 22 Teilnehmende. Dann ist ja noch spannend, was genau wurde jetzt untersucht. Und zwar einmal die kognitiven Funktionen, dann der Hilfebedarf, die neuropsychiatrischen Symptome, dazu zählen zum Beispiel Halluzinationen, Aggressionen, Ängste, also das, was dann tatsächlich die Pflege von Demenzerkrankten schwierig macht, dann wurde die Lebensqualität untersucht und die Belastung der Angehörigen und die Zeit, die die informelle Pflege im letzten Monat benötigt wurde.
00:21:19 Daniel Nicht: Kannst du informelle Pflege nochmal kurz erklären?
00:21:22 Sarah Bühler: Ja informelle Pflege ist, die Pflege, die Angehörige leisten, die sie praktisch nicht vergütet kriegen. Also die das System oder die Gesellschaft eigentlich nichts kostet und wir brauchen die Pflege, weil es zu viel Demenzerkrankte letztendlich eigentlich gibt, dass wir alle dafür aufkommen können. Mhm deshalb müssen wir gucken, dass wir die Angehörigen stabil halten.
00:21:53 Sara Mohr: Genau weil, das ist ja die Krux. Wir haben unglaublich viele, aber wir hatten uns dadurch auch mal Studien angeguckt vor einiger Zeit Sarah, das ist unglaublich. Also sobald du pflegende Angehörige oder pflegender Angehöriger bist, hast du vermehrt die Wahrscheinlichkeit, dass du selbst an Depressionen erkrankst, dass du selber unglaublich viel Arbeitszeitausfälle hast, dass du ja also quasi deine eigene Gesundheit mit aufs Spiel setzt, was schade ist, weil eigentlich machen das ja also, wenn ich mich entscheide eine*n Angehörige*n zu pflegen, mache ich das ja aus einer ganz positiven Sache heraus. Und weil ich was ganz Positives bewirken will und eigentlich ist ziemlich tolle Sache, wie man sowas macht. Es geht dann nur mit den ganzen negativen Konsequenzen einher.
00:22:28 Sarah Bühler: Das Risiko ist extrem, ja. Genau, die Assessment wurden zu 3 Zeitpunkten gemacht, also einmal Base Line, dann gab es die dreimonatige Intervention, dann nach der Intervention und dann nochmal 3 Monate, nachdem die Intervention abgeschlossen war.
00:23:06 Sara Mohr: Okay, das heißt, Sie haben nach den 3 Monaten haben Sie keine Ergotherapie mehr bekommen für die nächsten 3 Monate?
00:23:13 Sarah Bühler: Genau. Spannend finde ich jetzt noch mir geht es ja, das habe ich ja auch schon in der letzten Studie immer wieder mal eingeworfen, was wurde denn in der Ergotherapie gemacht?
00:23:27 Sara Mohr: Ja kann halt viel sein, wenn du einfach nur sagst „Ergotherapie bei Demenz Erkrankungen“ da kann halt alles oder nichts sein.
00:23:32 Sarah Bühler: Ja, genau. So ich hab euch jetzt schon erzählt, wie die nationale Demenz Strategie in Frankreich ist. Was denkt ihr denn, wie die Intervention ablief?
00:23:35 Sara Mohr: Oh, darf ich mir Sachen wünschen?
00:23:39: Du darfst wünschen, ja.
00:23:59 Sara Mohr: Ich wünsche mir also, das ist ja schon mal gut, dass es im Hausbesuch stattfindet und dann wünsche ich mir, dass die total betätigungsorientiert mit den Leuten gearbeitet haben und geschaut haben ok welche Betätigungen sind wichtig für diese Person, welche Betätigungen wirken vielleicht ausgleichend oder beruhigend? Und wie können wir die Angehörigen anleiten, dass sie diese Betätigung umsetzen? Mit den Demenz erkrankten? Und wie können wir die Angehörigen anleiten, dass sie selber auf sich achten? Self Care wie heißt das auf Deutsch? Sich um sich selbst kümmern auch ja, das wäre mein Wunschkonzert. Daniel willst du dir auch was wünschen?
00:24:24 Daniel Nicht: Ja also ich, ich hätte noch die Überlegung Strategine zur Erinnerung oder so. Ich muss sagen, mit Demenz bin ich ja echt weit weg, das hab ich in der Ausbildung gehabt und seitdem hatte ich kaum noch Berührung mit Demenz. Ich weiß, dass wir damals auch so Strategien, sich zu erinnern oder Arbeitsabläufe für sich festzulegen oder aufzuschreiben, damit man sich daran erinnert, vielleicht sogar abhaken oder sowas? Aber sowas hätte ich jetzt vielleicht noch gewünscht als sinnvolle Ergänzung als Nichtwissender beim Thema Demenz.
00:25:08 Sara Mohr: So kompensatorische Strategien, die am Anfang noch so ein bisschen unterstützen können, ja.
00:25:14 Sarah Bühler: Ich verrate es euch und zwar in den 3 Monaten haben zwischen 12 und 15 Hausbesuche stattgefunden. Fokus der Therapien lagen auf den Klient*innen und den Pflegenden.
00:25:30 Sara Mohr: Schon mal gut, nicht auf dem Haustier (lacht)?
00:25:35 Sarah Bühler: Ja, und ich finde, das ist aber es ist ganz klar definiert, es lag nicht auf den kognitiven Funktionen, weil die gehen ja teilweise weg sind, das ist hier viel größer gehalten. Weil, ne, das kenne ich hier so. Hier erwartet man direkt, dass man kognitives Training macht, die Kommen mit einer unglaublichen Erwartungshaltung in Praxen.
00:25:41 Sara Mohr: Ach so ja okay. Ja, weil das ja natürlich der Wunsch ist vielleicht gerade, wenn die Angehörigen noch nicht so lange erkrankt sind, dass man Sachen, die verloren sind, wiederholt und wenn man nur genug übt, dann erinnert er sich wieder, aber…
00:26:09 Daniel Nicht: Wir haben doch auch den Ansatz des Funktionserhalts, oder nicht?
00:26:14 Sara Mohr: Aber das ist eine degenerative Erkrankung…
00:26:17 Sarah Bühler: Schwierig, das ist schon ein großes Ziel der Funktionserhalt.
00:26:20 Daniel Nicht: Das ist richtig, es gibt ja teilweise die Verordnung als Ergotherapeut*in die Aufgabe zu haben, das, was haltbar ist, zu erhalten.
00:26:32 Sarah Bühler: Genau die Frage ist aber was ist ein guter Weg? Also sie haben die ersten 2 Interventionen wurden dafür benutzt, die Fähigkeiten zu evaluieren und zu erfassen. Was sind Erwartungen und Bedürfnisse von den Klient*innen und den Pflegenden?
00:26:56 Daniel Nicht: Haben Sie das mit einem bestimmten Assessment gemacht, oder?
00:26:59 Sarah Bühler: Steht nicht drin, es steht drin, dass das standardisiert ist. Aber was genau genau? Aber wir wissen ja, dass die ganzen Assessments gemacht wurden, die ich eben aufgezählt habe. Und das ist der MMST, dann das DAD (Disability Assessment in Dementia), das neuropsychiatrische Inventar, wo eben die Symptome Halluzinationen, Aggressionen, Ängste abgefragt werden, dann haben die den EQ-5D gemacht, da geht es um die Lebensqualität. Die Ergos, dürften hier aber quasi auch ihre eigene übliche Evaluation einfach machen mit den Leuten. Dann in den restlichen Einheiten ging es um die Optimierung der kompensatorischen Strategien, Umweltanpassungen, Umfeldanpassungen mit dem Ziel, die ADL zu erhalten und die Durchführung zu ermöglichen. Pflegende wurden trainiert, ihr Verhalten zu reflektieren, lernen Problemlösestrategien und Copingstrategien, um die soziale Teilhabe von ihren Erkrankten zu gewährleisten.
00:28:44 Daniel Nicht: Also Copingstrategien sind ja schon echt ne gute Sache.
00:28:48 Sara Mohr: Was fällt da so alles drunter unter Copingstrategien bei, wenn es, speziell wenn es um Demenzerkrankte geht?
00:28:52 Sarah Bühler: Steht hier nicht genau. Habt ihr eine Idee?
00:28:55 Daniel Nicht: Wahrscheinlich wie sie mit Stress selber umgehen, wie sie mit der Belastung umgehen und wie sie auch für ihre eigene Erholung sorgen werden wahrscheinlich.
00:29:20 Sara Mohr: Ja, okay.
00:29:21 Sarah Bühler: Genau und ich glaube auch, dass ich weiß nicht, was die gemacht haben, aber was ja auch immer eine gute Sache ist, ist zu validieren, die Angehörigen anzuleiten, zu Techniken wie integrative Validation zu nutzen.
00:29:37 Sara Mohr: Was ist das nochmal genau?
00:29:38 Sarah Bühler Häufig können die Demenzerkrankten ja nicht mehr so genau ihre Gefühle beschreiben, aber die spüren das ja noch, können sie aber nicht mehr so richtig einordnen und das übernimmt dann jemand anders, indem man die Gefühle ausspricht und dann schaut, was für ein Bedürfnis steht dahinter? Das dann auch benennt und dann die Aufmerksamkeit umlenkt.
00:30:03 Sara Mohr: Okay, also kannst du da ein Beispiel machen?
00:30:06 Sarah Bühler: Ja, ich kann ein Beispiel machen, und zwar wenn jemand jetzt suchend rumläuft, ja, dann kann man es erstmal einfach beschreiben, was derjenige tut, indem man sagt, Sie suchen etwas, oder man kann dann auch sagen, sie fühlen sich alleine. Ne und da kann man probieren tatsächlich, wenn es das falsche Gefühl oder das falsche Bedürfnis ist, dann reagieren die nicht.
00:30:40 Sara Mohr: Okay, also ich muss mal, ich muss gucken wie komme ich in den Kontakt mit der Person, indem ich das benennen, was gerade in ihr vorgeht?
00:30:54 Sarah Bühler: Genau dann benennt man das, häufig reicht das schon aus, dass das Verhalten stoppt.
00:30:54 Daniel Nicht: Da fühle ich mich gerade an die gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg erinnert. Weil, da geht es auch darum, Gefühle zu benennen und als Person, die so ein bisschen den Prozess begleitet von jemandem, der sich damit auseinandersetzt, auch Gefühle anzubieten.
00:31:13 Sarah Bühler: Genau und dann kann man das manchmal noch in Sachen umlenken, die noch da sind, das sind dann häufig Sprichworte. Also wenn jemand viel rumläuft, kann man sagen, sie sind unruhig und dann sowas hinterherschieben wie „Wer rastet, der rostet.“
00:31:30 Sara Mohr: Okay, damit man was Bekanntes gibt zum Festhalten.
00:31:32 Sarah Bühler: Genau dann gibst du was zum Festhalten.
00:31:36 Sara Mohr: Hm, spannende Technik.
00:31:38 Sarah Bühler: Und oft reicht aber schon das Gefühl zu benennen, oder das Bedürfnis des dahintersteht.
00:31:44 Sara Mohr: Ja, dann hat man ja auch das Gefühl, dass man verstanden wird, ne? Okay, und das ist quasi so eine Strategie die man Angehörigen beibringen könnte.
00:31:50 Sarah Bühler: Mhm ja, genau weiß ich aber nicht, ob die das hier gemacht haben.
00:31:55 Daniel Nicht: Okay, dann habe ich nochmal kurz zu den Copingstrategien zurückkommen. Ich habe nämlich gerade nochmal kurz genau geguckt und es gibt für die Copingstrategien zum Beispiel als positives Beispiel das Besuchen einer Selbsthilfegruppe, das wäre eine Coping Strategie also, dass zum Beispiel betroffene Angehörige sich in einer Selbsthilfegruppe zusammenschließen und da einfach auch Austausch finden.
00:32:25 Sara Mohr: Ja, ich glaube, es gibt viel auch mit Isolation einher, wenn man pflegende*r Angehörige*r ist.
00:32:28 Sarah Bühler: Ja, genau und häufig auch viel mit Scham, ja, Scham ist auch ein Gefühl, das man da nicht unterschätzen darf weil sich der Mensch ja verändert und auch manchmal Dinge tut, die überhaupt nicht mehr nachvollziehbar sind, und man denkt oh Gott, das kann ich ja niemand erzählen.
00:32:47 Sara Mohr: Mhm ja, ja, das stimmt.
00:32:51 Daniel Nicht: Also ich, ich kenn selber dieses Scham Prinzip also ich hatte das in meinem erweiterten Familienkreis das eine demenziell erkrankte Person fast schon versteckt wurde. Also das Verständnis von dieser Person war sehr, sehr schlecht und ja, es war wirklich so, dass die Person wirklich fast schon versteckt wurde, weil man überhaupt nicht wusste, wie man damit umzugehen hat.
00:33:24 Sara Mohr: Ja, schwierig. Und da brauchen die Leute jemanden von extern jemanden, der Skills gibt und der Unterstützung gibt und ja.
00:33:34 Sarah Bühler: Ja, und da, also würde ich gerne einfach nochmal auf die Alzheimer Gesellschaft verweisen, die machen echt tolle Arbeit, die Seite ist echt wert, dass man sie anschaut, gibt viele Hilfen. Es gibt auch eine Alzheimer Telefon, wo man anrufen kann, die hören einfach zu.
00:33:50 Sara Mohr: Link kommt in die Shownotes.
00:33:53 Daniel Nicht: Ich würde bei Behandlung von Depressionen auch den Angehörigen immer raten, sich quasi Hilfe zu holen.
00:34:05 Sarah Bühler: Bei Depressionen oder bei Demenz?
00:34:08 Sara Mohr: Ich glaube, das war ein Versprecher.
00:34:08 Sarah Bühler: Genau Daniel hat sich versprochen. Genau bei Depressionen da bin ich raus, weil ich ja ganz wenig… Sie haben auch eine Gesellschaft und da gibt es auf jeden Fall das Seelsorgetelefon.
00:34:19 Daniel Nicht: Die haben ihre eigene Gesellschaft, ja. Das Gute bei Depressionen ist ja, wenn sie behandelt wird, das ist auch durch Training rückläufig. Also wenn es nicht bei der schweren Depression bleibt und das ist bei der demenziellen Erkrankung anders.
00:34:50 Sarah Bühler: Genau ja, das ist das, was ich auch wichtig finde, immer wieder zu sagen, das ist eine progrediente Erkrankung. Ne, das ist vielen Angehörigen so nicht bewusst, oder es ist ihnen schon bewusst.
00:35:03 Sara Mohr: Aber ja, aber du bist ja trotzdem, also habe ich viele Angehörige erlebt, die gehen, wenn es einmal realisiert wurde, jetzt ist da diese Erkrankung, dann gehen die in so eine Art Kampfmodus. So es muss alles getan werden, dass diese Person nicht schlechter wird. Und dieses eingestehen, es wird aber schlechter werden, das fühlt sich für sie an wie aufgeben. Dann habe ich die Person aufgegeben und das ist ein ganz schwieriger Übergangsprozess.
00:35:30 Sarah Bühler: Und das ist ein Prozess und da ist auch ein Trauerprozess dabei. Ja, und da muss man allen Zeit geben.
00:35:34 Sara Mohr: Weil es eine Verabschiedung ist. Ja, und deshalb finde ich es so wichtig, dass wir Ergos halt eben gerade, dann nicht auch noch das Gefühl vermitteln oh ja, wenn sie viel üben, wenn sie jetzt ganz viele Knobelaufgaben zuhause lösen, dann wird es besser, ne dann ermöglichen wir den Leuten nicht in diesem Prozess rein zu gehen der scheiße ist. Das ist ein scheiß Prozess, das macht keinen Spaß und es wird viel geweint, aber das ist halt ein Prozess, der passieren muss, damit man irgendwie einen Umgang damit findet.
00:36:06 Sarah Bühler: Mhm ja. Okay genau also ich hatte erklärt, was gemacht wurde. Jetzt kommen wir zu den Ergebnissen. Hm, also 421 Klient*innen haben teilgenommen beim Follow Up, waren es nur noch 317?
00:36:34 Sara Mohr: Oh wo sind sie alle hin?
00:36:38 Sarah Bühler: Die sind ja schon in höherem Alter, also ein Teil ist gestorben. Ein Teil kam in Einrichtungen, und ein Teil hat die Testungen abgelehnt oder die Therapie verweigert.
00:36:49 Sara Mohr: Es entspricht ja aber jetzt rein aus dem Bauch raus würde ich sagen, das entspricht dem Drop out, dass man auch im echten Leben hat. Bei der Therapie von Demenzerkrankten.
00:37:00 Sarah Bühler: Genau und es ist eben eine Beobachtungsstudie im realen Setting, also es sind reale Praxen, reale Klient*innen oder ich weiß tatsächlich nicht, ob es Praxen sind, aber also die kommen über Einrichtungen, die kommen mit einer Diagnose, und die stehen mitten im Leben so, das ist jetzt nicht so arg aufgesetzt.
00:37:19 Sara Mohr: Ja, und dann passiert halt auch das Leben.
00:37:26 Sarah Bühler: So, 317 haben wir am Schluss.
00:37:29 Daniel Nicht: Was immer noch eine große Zahl ist.
00:37:33 Sarah Bühler: Die funktionellen Leistungen blieben relativ stabil
00:37:38 Sara Mohr: Das ist das, was mit dem Mini mental gemessen wurde?
00:37:41 Sarah Bühler: Genau mit dem Mini Mental und aber auch mit dem Hilfebedarf. Das blieb relativ stabil, allerdings konnten da 2 Gruppen beobachtet werden von den Autor*innen. Und zwar haben die die Gruppen dann benannt in die Responders, also die Klient*innen, die reagiert haben auf die Therapie und die Nonresponders das sind die, die sich halt stärker verschlechtert haben genau. Die Verhaltensprobleme wurden während der 3 monatigen Interventionen reduziert und blieben danach auch nach der Intervention stabil.
00:38:21 Sara Mohr: Das ist ziemlich gut, weil du hast ja eben gesagt, das ist häufig das, was die Pflege so schwierig macht. Vielleicht Aggressionen, die Auftreten oder Halluzinationen oder so? Und das hat sich reduziert, das ist ja gut.
00:38:31 Sarah Bühler: Genau das hat sich reduziert und blieb dann relativ stabil. Die Lebensqualität der Klient*innen nahm während der dreimonatigen Intervention zu und dann wieder ab.
00:38:49 Sara Mohr: Okay, ja, also da hätten wir besser nicht aufgehört damit.
00:38:52 Sarah Bühler: Das wissen wir jetzt nicht.
00:38:54 Daniel Nicht: Das zeigt ja schon, dass die Ergotherapie in irgendeiner Weise einen Effekt hatte.
00:39:02 Sarah Bühler: Ja, dann müssen wir später vielleicht nochmal diskutieren, weil es gab ja letztendlich keine Kontrollgruppe, wir haben ja niemand, der jetzt keine Intervention bekommen hat. Das geht ja aber auch ethisch nicht.
00:39:11 Sara Mohr: Das ist halt bei solchen Beobachtungsstudien wirklich schwierig zu sagen wir geben jemand keine Therapie. Wenn wir jetzt ein RCT hätten, also eine randomisiert kontrollierte Studie, dann müßten wir eine Kontrollgruppe haben. Ich glaube wir haben in der letzten oder vorletzten Folge ausführlicher darüber gesprochen. Aber in diesem Fall hier, das kannst du halt ethisch nicht verantworten 400 Leuten Therapie vorzuenthalten über Monate.
00:39:52 Daniel Nicht: Also wenn wir gerade schon vom Thema abschweifen, man könnte es ja vielleicht machen wie bei unserer letzten Studie, dass, dass man als Patient*in die Wahl hat, in welche Gruppen man geht und dann könnte man halt gucken, ob man eine Therapieverweigerer Gruppe findet, die aber bereit wäre, quasi die Daten herauszugeben.
00:40:09 Sara Mohr: Aber da hast du das Problem, dass du da einen ziemlichen Bias drin hast, also da könnte man die Theorie aufstellen, dass Leute, die Demenzerkrankt sind und die Therapie verweigern schon in einem relativ fortgeschrittenen Stadium sind. Das heißt du hättest in der Kontrollgruppe Leute, die prinzipiell schlechter sind als Leute in der Interventionsgruppe und dann wird es schwierig, die zu vergleichen. Ist in dem Setting schwierig Kontrollgruppe zu machen.
00:40:40 Sarah Bühler: Also es gab aber noch einen Punkt, was sie herausgefunden haben. Klient*innen, die von der Ergotherapie profitierten, waren häufig weniger gebildet oder hatten noch ein höheres kognitives Niveau. Bedeutet, die Klient*innen, die mehr profitiert haben, waren in der Erkrankung noch nicht so weit fortgeschritten oder im frühen bis mittleren Stadium. Die haben am meisten davon, wenn da noch Ergotherapie stattfindet. Genau und tatsächlich sagen die später auch in der Diskussion, dass es eben sinnvoll ist, deshalb relativ früh in die Ergotherapie zu verweisen. Das sind praktisch die, die draufschauen sollen oder die Klient*innen und die Pflegenden unterstützen sollen gerade am Anfang.
00:41:32 Sara Mohr: Das macht ja von beiden Seiten auch wieder Sinn. Einmal hast du dann Klient*innen die noch nicht so schwer betroffen sind, wo du noch mehr Ressourcen finden kannst und du hast aber auch Angehörige, die vielleicht weil sie noch nicht so lange mit der Pflege betraut sind, noch nicht so festgefahren sind in Strukturen und noch leichter neue Sachen integrieren können.
00:41:51 Sarah Bühler: Ja, und die Copingstrategien greifen halt noch. Und eine Umfeldanpassung oder Umfeldanpassungen sind halt einfach realisierbarer. Ja, am Anfang von einer Demenz kann es noch helfen, Karten zu machen oder Zettel zu schreiben, das hilft dir halt bei einer mittelschweren bis schweren Demenz nicht mehr.
00:42:14 Daniel Nicht: Wenn ein*e Angehörige*r demenziell erkrankt ist, kommst du auch in eine Phase der Informationen. Also du sammelst und generierst Informationen du bist eher bereit an irgendeinem Workshop über Demenz teilzunehmen oder einen Vortrag oder Ähnliches und wenn du dann natürlich auch gut zum Beispiel eine Selbsthilfegruppe direkt angebunden wirst, weil du dir da auch Hilfe erhoffst, ist die Coping Strategie natürlich viel schneller auch da und viel schneller auch ja mehr in den Alltag eingebunden, ja ja.
00:42:46 Sara Mohr: Das ist ein guter Punkt.
00:42:48 Sarah Bühler: Ja, was auch noch rauskam, das fand ich ein bisschen merkwürdig, also ich kann mir nicht erklären, woher der Unterschied kommt. Pflegende Angehörige von weiblichen Personen mit Demenz profitieren mehr als Angehörige von männlichen Personen mit Demenz?
00:43:06 Sara Mohr: Das ist tatsächlich merkwürdig, warum soll das unterschiedlich sein?
00:43:11 Sarah Bühler: Ich weiß nicht.
00:43:13 Sara Mohr: Sagen die was dazu in der Studie?
00:43:14 Sarah Bühler: Nee, haben die nicht nochmal aufgegriffen.
00:43:17 Sara Mohr: Wussten Sie auch nicht, was das ist? Daniel, hast du ne Theorie, du guckst so.
00:43:23 Daniel Nicht: Ich überlege, ob das mit dem Annehmen von Hilfe zu tun hat. Ich bewege mich jetzt auf Klischees und rollenspezifische Vorurteile, ja. Aber gerade Männer in älteren Generationen nehmen ja eher weniger Hilfe an. Weil das ja als eher schwach interpretiert wird und bei Frauen, die haben diesen, ich nenne ihn jetzt mal Bias nicht. Dementsprechend sind sie da eher offen dafür, Hilfe.
00:44:02 Sara Mohr: Aber das wäre ja dann die Frage, also die Mehrzahl der pflegenden Angehörigen ist eindeutig weiblich. Also ich glaube, ich hatte mal den die Zahl gelesen 70% der pflegenden Angehörigen sind weiblich also es kommt super selten vor, dass ein Mann seine Frau pflegt. Viel häufiger macht das die Tochter oder Schwiegertochter. Also wir spekulieren hier jetzt, keine Ahnung. Ist auf jeden Fall ein merkwürdiges Ergebnis.
00:44:28 Daniel Nicht: Ist vielleicht leichter, wenn eine Mutter von der Tochter gepflegt wird, als wenn ein Vater von der Tochter gepflegt wird. Hypothese.
00:44:36 Sara Mohr: Das kommt sehr auf den Vater und auf die Tochter an.
00:44:38 Sarah Bühler: Ja, keine Ahnung. Also wie gesagt, das war so ein Satz, über den bin ich gestolpert. Und dann dachte ich wär ja cool, wenn die das nochmal aufgreifen, haben sie aber nicht, oder ich habe es überlesen.
00:44:51 Sara Mohr: Sie haben es bestimmt selber einfach nicht gewusst, was sie damit anfangen sollen, dann sagen wir einfach nix mehr zu, vielleicht merkt es keiner.
00:44:58 Daniel Nicht: Aber das ist ein wunderschöner Diskussionsaufmacher.
00:45:00 Sara Mohr: Kann man viele Theorien drauf aufbauen.
00:45:03 Sarah Bühler: Ja genau, aber eben nur Theorien, wir haben keine Ahnung, warum das so ist. Was eben aber nochmal spannend ist, dass Angehörige von Menschen mit Demenz mehr profitiert haben, wenn die Diagnose erst kürzlich gegeben wurde, also innerhalb der letzten ein bis 2 Jahre, das heißt da haben wir noch mal eine Zahl dazu, wie früh das tatsächlich ansetzen sollte, dass man Ergotherapie bekommt, weil es kann ja durchaus sein, je nachdem, wie die Demenz verläuft, dass du nach der Diagnose erstmal also es kann ja durchaus auch stabile Phasen geben, in denen die Leute eigentlich noch ganz gut funktionieren. Ich also, ich bin der Meinung so früh wie möglich ansetzen, um einfach vorzubereiten und weil es ist ein Trauerprozess und der braucht auch Zeit. Ja, sich auch damit vertraut zu machen, dass Sachen langsam verschwinden. Ich habe häufig Angehörige, da sitzen die dann sagen „Vor 2 Monaten da gingen die Bankgeschäfte noch. Und jetzt geht gar nichts mehr.“ Ja, so und so nehmen sie das wahr.
00:46:08 Sara Mohr: Dabei ist vieles ja vielleicht auch maskieren gewesen. In der Vergangenheit hat einfach das Maskieren noch besser geklappt und das klappt dann auf einmal nicht mehr.
00:46:22 Daniel Nicht: Also da frage ich mich jetzt hilfst du den Betroffenen auch irgendwie die Trauer zu verarbeiten?
00:46:29 Sarah Bühler: Ich schicke sie weiter, ja zu einer Trauerbegleitung also, ich hab ganz viele Adressen und hier ist die Demenz Strategie jetzt lokal relativ gut ausgebaut. Gibt hier die Caritas, die dann direkt Beratungen anbietet, sobald es eine Diagnose gibt, die dann auch den also die Möglichkeit gibt, dass man mit dem medizinischen Dienst Kontakt aufnimmt, um eine Pflegestufe zu beantragen. Also da gibt es hier relativ viele Anlaufstellen, wo es dann hingeht. Hier gibt es Selbsthilfegruppe sowohl für Angehörige als auch für Betroffene einmal im Monat und ich schicke die dann natürlich auch, also ich geb denen die Adressen und empfehle denen wirklich, das auch zumindest auszuprobieren. Und dann hake ich nach wie das denn ist, ob sie schon mal Kontakt aufgenommen haben, ob wir das gemeinsam machen sollten? Genau ja.
00:47:23 Sara Mohr: Ja, ich, es gibt ich glaube, das ist in Deutschland relativ regional. Ich erinnere mich in der Praxis, in der wir beide gemeinsam gearbeitet haben, Sarah. Die war Teil von einem Demenz Netzwerk, in dem dann Therapierende und Ärzt*innen waren, die sich halt auf Demenz jetzt nicht unbedingt spezialisiert hatten, aber diese wollten in diesem Netzwerk mitarbeiten, genau die sich ausgetauscht haben. Das war eine der tollsten Ärztinnen, mit denen ich mich hier austauschen durfte. Die in diesem Netzwerk auch drin war, und ich habe dann die Klientin übernommen. Und hab einen Bericht geschrieben, einen sehr betätigungsorientierten Bericht, weil es war ziemlich am Anfang und es war eine sehr schwer betroffene Klientin und ich habe mir vorgenommen ich zähle in dem Bericht jetzt erstmal nur Betätigung auf, die die Frau noch gut machen kann und die gut funktionieren. Es war ein sehr ergotherapeutischer Bericht. Und ich habe noch überlegt, kann ich der Frau das schicken? Kann ich das einer Ärztin schicken, wo einfach nur drin steht die Frau kann den Hof kehren? Ich mein, wie professionell klingt das? Und ich hab so eine positive Rückmeldung von dieser Ärztin bekommen, sie hat gesagt ja genau das ist das, wo wir mit diesem Demenz Netzwerk hin wollen. Wir wollen herausfinden was können die Leute tun? Wobei fühlen Sie sich wohl? Das möchte ich als Ärztin wissen, wie klappt die Pflege? Wie geht es den Angehörigen, das sind Informationen, die ich als Ärztin haben möchte, in diesem Demenz Netzwerk.
00:48:46 Sarah Bühler
Ja, ich schreib das auch immer in die Berichte, was ein Punkt ist, den ich auch immer mit in die Berichte aufnehme, ist der Schlafrhythmus. Weil wenn die nicht mehr schlafen und nachts rum geistern, dann sind die Angehörigen in der Regel auch nicht am schlafen. Und ist ein Riesenproblem.
00:49:04 Sara Mohr: Dann bist du 24 Stunden wach, ja.
00:49:08 Daniel Nicht: Das ist ein massives Problem, Schlafentzug ist massiv.
00:49:12 Sarah Bühler: Also das waren die Ergebnisse ja gut. In der Diskussion ging es dann noch viel darum, wie eben die Strategie in Frankreich aufgebaut wurde, was sinnvoll ist und was man da noch verändern kann. Also das ist zum Beispiel eben Sinn macht früh zur Ergotherapie zu überweisen.
00:49:38 Sara Mohr: Ich finde, vom System her, es ist ja wahrscheinlich relativ gut zu übertragen von Frankreich auf Deutschland, ne ich glaube die Situation der Ergotherapeut*innen in Deutschland und Frankreich, die Positionierung im Gesundheitssystem ist relativ ähnlich und was wir dürfen und was wir nicht dürfen, das lässt sich wahrscheinlich ganz gut übertragen, nur dass wir nicht… Haben wir eine Demenz Strategie?
00:50:01 Sarah Bühler: Ja wir haben eine nationale Demenz Strategie mit 4 Handlungsfeldern. Und ich habe gerade geguckt, ich habe nur gesucht ob Ergotherapeut*innen da erwähnt sind, und das ist ein riesen Dokument und wir sind dreimal erwähnt.
00:50:21 Sara Mohr: Und in welchem Zusammenhang?
00:50:23 Sarah Bühler: Wir sind einmal erwähnt bei der vollstationären Versorgung im Pflegeheim. Mhm, dann sind wir in gerontopsychiatrischen Institutsambulanzen, da sollte es multidisziplinäre Teams geben. Das Team aus Pflege, Psychologie, Sozialarbeit, Ergotherapeut*innen und die Behandlung sollte hochfrequent sein. Ja, dann sind wir noch einmal in den Quellen erwähnt.
00:50:55 Sara Mohr: Hast du die Handlungsfelder gerade schon gesagt?
00:50:59 Sarah Bühler: Nein, die habe ich noch nicht gesagt warte.
00:51:01 Sara Mohr: Also die Handlungsfelder sind einmal die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Demenz, dann das nächste Handlungsfeld sind Menschen mit Demenz und die Angehörigen und die Unterstützung dieser Personen; das dritte Handlungsfeld ist die medizinische und pflegerische Versorgung und das vierte Handlungsfeld ist die Forschung. Wir fallen ja schon mal auf jeden Fall in die ersten beiden Handlungsfelder, also Strukturen zur gesellschaftlichen Teilhabe würde ich mal die Ergotherapie verorten und Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen unterstützen, würde ich uns auch mal mit verorten, vielleicht sogar bei… ich weiß nicht, fallen wir unter medizinische und pflegerische Versorgung? Ob da Therapie mit gemeint ist, man weiß es nicht. Aber das ist eine coole Homepage, ich mache die auch mal in die Show Notes, liebe Leute, dann könnt ihr euch da selber durchklicken, da sind auch Links zu regionalen Netzwerken, über die wir gerade gesprochen haben und so. Neben der nationalen Demenz Strategie haben wir in Deutschland ja auch Leitlinien zur Demenz und du hattest mich ja gebeten, also ich habe mir die, die im Auftrag von Sarah die Leitlinien angeschaut. Und zwar zuerst mal die Leitlinie für Demenz das ist eine S 3 Leitlinie, das heißt, sie hat die höchste Evidenz Stufe. Pro dieser Leitlinie: der DVE hat mitgewirkt. Kleiner Nachteil dieser Leitlinie: die ist seit letztem Jahr nicht mehr gültig, dies aktuell in Überarbeitung. Das heißt aber nicht, dass die Sachen, die drin stehen, schlecht wären, sondern einfach nur, dass sie gerade überarbeitet wird. Und wir werden erwähnt, die Ergos werden explizit erwähnt im Kapitel Diagnostik. Da geht es nämlich darum, dass die Beeinträchtigung alltagsbezogener Fähigkeiten erfasst werden sollen.Und da wird wörtlich empfohlen das Ergotherapeut*innen bitte das AMPS machen sollen, das Assessment of Motor and Process Skills. Weil das eben sich gut eignet um die Beeinträchtigung alltagsbezogener Fähigkeiten zu eruieren. Für alle, die jetzt ein bisschen Bauchschmerzen bekommen, weil das AMPS ein großartiges Assessment ist, aber super teuer: Eine gut gemachte Betätigungsanalyse ist nicht ganz so geil wie das AMPS kommt, aber nah dran. Das vielleicht an dieser Stelle noch gesagt. Außerdem wird gesagt, dass die Ergotherapie bei Demenz – wie wir schon gesagt haben – auf jeden Fall Angehörige unbedingt unbedingt unbedingt einbezogen werden sollen in die Therapie und die Maßnahmen. Und dass es am meisten Sinn macht bei leichter bis mittelschwerer Demenz also eigentlich alles, Sarah, was du auch in deiner Studie drin hattest. Außerdem, was ich sehr schön finde bei dieser Leitlinie es gibt wieso oft nicht nur eine Kurzfassung und Langfassung, sondern es gibt auch noch 2 Dokumente zum kostenlosen Download ihr kriegt den Link wie immer die Shownotes. Und das sind 2 Flyer, die man gut rausgeben kann. Einer ist für Angehörige und pflegende Personen, wo die nochmal so Infos kriegen, zum Umgang mit Menschen mit Demenz. Und der andere ist Informationen für Menschen, die denken, sie könnten von einer Demenz betroffen sein oder die gerade die Diagnose bekommen haben. Da gibt es Informationen zu Diagnostik, zu Symptomen und welche Interventionen man auch im Frühstadium schon gut machen kann. Und da steht ganz explizit drin, sobald sie die Diagnose haben, machen Sie doch Ergotherapie. Also eine ziemlich gute Leitlinie für uns. Die andere Leitlinie pflegende Angehörige von Erwachsenen betrifft natürlich nicht nur pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz, sondern generell. Aber ich habe mir die nochmal herausgegriffen, einmal, weil es da auch wieder kurz um uns geht und zwar, wenn es um herausforderndes Verhalten geht. Von Menschen mit Demenz und da wird dazu aufgerufen, eine verstehende Diagnostik zu machen. Und ich fand den Begriff so schön, verstehende Diagnostik. Den fand ich so schön, weil ich den Begriff herausforderndes Verhalten nicht schön finde.
00:55:54 Sarah Bühler: Wie willst du es dann nennen?
00:55:57 Sara Mohr: Ich finde halt, die Leute machen das ja nicht, weil sie jemanden herausfordern möchten also da wird ja so eine Absicht unterstellt.
00:56:03 Sarah Bühler: So habe ich das auch nicht gesehen, sondern ich habs immer gesehen das ist für den anderen herausfordernd, damit umzugehen.
00:56:08 Sara Mohr: Ja ok, so rum vielleicht, vielleicht habe ich das auch nur falsch verstanden. Auf jeden Fall wird halt gesagt, man muss gerade bei herausfordernden Verhalten, also zum Beispiel Hinlauftendenzen oder Aggressionen oder vermehrtes Diskutieren oder whatever eben diese verstehende Diagnostik einzusetzen. Um zu schauen, was sind denn die Gründe, warum die Person sich so verhält?
00:56:33 Sarah Bühler: Was sind die Bedürfnisse, die dahinterstehen?
00:56:36 Sara Mohr: Genau was sind die Bedürfnisse dahinter stecken? Und da wird gesagt ich zitiere wörtlich: „Die Durchführung der Verhaltensanalyse erfolgt hierbei arbeitsteilig durch Ergotherapeuten, beziehungsweise Ergotherapeutinnen, professionell Pflegende und behandelnde Ärzt*innen. Und auch bei dieser Leitlinie gibt es wieder einen schönen Flyer. Und da ist eine unglaublich lange Liste für pflegende Angehörige über Kontaktstellen, über Hilfsangebote, es wird ganz deutlich aufgerufen: Leute geht in Selbsthilfegruppen. In diesem Flyer wird sehr deutlich gesagt – ich fand es fast schon ein bisschen, also wenn ich pflegende Angehörige wäre, hätte ich mich fast ein bisschen erschreckt – es wird sehr deutlich gesagt, Pflege von einem Angehörigen ist eine hohe Belastung, wenn sie sich nicht um sich selbst kümmern, werden sie selbst auch krank werden, suchen sie sich Hilfe. Das ist ein sehr deutlicher Flyer. Ist auch Platz für den eigenen Praxisstempel, kann man sich ausdrucken und an Leute rausgeben.
00:57:43 Daniel Nicht: Aber ich finde es gut, also vor allen Dingen, wenn sie so klar auch sagen ne, das würde ich mir tatsächlich für psychische Erkrankungen auch mehr wünschen für die Angehörigen.
00:57:56 Sarah Bühler: Ja, also ich finde die Angehörigen stehen viel zu wenig im Fokus und die werden viel zu wenig wertgeschätzt dafür was sie leisten, und sich dann noch nicht mal trauen zu sagen, dass sie es leisten.
00:58:10 Sara Mohr: Ja, weil da vielleicht auch gar keine Energie mehr dafür da ist dann ne.
00:58:13 Daniel Nicht: Für uns als Ergotherapeut*innen einfach als erweiterte Klientel sehr wichtig ne.
00:58:18 Sara Mohr: Genau das war eine sehr spannende Studie. Sarah, vielen Dank, dafür.
00:58:25 Daniel Nicht: Ich hab ein bisschen mehr über Demenz gelernt.
00:58:28 Sara Mohr: Wollen wir unssere ganz kurzen 3 Do‘s wenn ich morgen eine Neuaufnahme habe und es geht um eine Person mit Demenz was tue ich?
00:58:39 Sarah Bühler: Die Angehörigen sind dabei.
00:58:45 Daniel Nicht: Muss Hausbesuch sein.
00:58:46 Sara Mohr: Mist, den Punkt wollte ich (lacht). Und wir arbeiten gemeinsam mit den Angehörigen und den betroffenen Personen Strategien für den Alltag.
00:58:59 Sarah Bühler: Ich habe noch einen: Je früher die kommen und je früher die Therapie beginnt, desto besser und dann können wir die auch wieder beenden. Weil wenn wir die Betätigungsprobleme gelöst haben, gemeinsam oder Strategien erarbeitet haben, dann dürfen sie auch eine Therapie Pause machen, bis die Strategien nicht mehr ausreichen. Und dann können sie gerne wiederkommen.
00:59:21 Sara Mohr: Oh nein, dann habe ich ja Platz in meinem Plan für neue Leute, wenn ich Therapien beende, das wäre ja gruselig. (lacht) Alles cool, Entschuldigung, Zynismus aus.
00:59:35 Daniel Nicht: Ich finde das Thema Therapien auch zu beenden und auch Pausenzeiten in Therapien ein sehr wichtiges Thema.
00:59:41 Sara Mohr: Mhm ja, vielleicht suche ich dazu mal eine Studie raus wie gut, wie gut es den Leuten tut wenn man Therapien beendet? (lacht) Ich glaube, da gibt es keine Studie.
00:59:50 Sarah Bühler: Das Wort beenden finden die Klient*innen meistens nicht so toll. Eine Pause, um zu erproben wie die Strategien im Alltag funktionieren und sich dann noch mal zu melden, das geht schon eher.
01:00:03 Daniel Nicht: Damit mache ich gerade ganz gute Erfahrungen in der Therapie, Pausen eingeführt und die Klient*innen, die zurückkommen, haben auch eine ganz klare neue Ausrichtung für die Therapie, wollen noch was erreichen.
01:00:18 Sarah Bühler: Ja, die kommen mit einem Ziel oder also mit einem konkreten Anliegen.
01:00:21 Sara Mohr: Weil sie dann wissen wie es läuft und weil sie wissen welche Probleme können gelöst werden in der Ergotherapie? Das stimmt im zweiten Anlauf ist die Qualität nochmal eine ganz andere, weil die dann kommen und sagen, ich weiß jetzt genau, ich möchte jetzt das machen und das ist ziemlich cool ja.
01:00:39 Sarah Bühler: Genau Klient*innen Perspektive hatten wir dieses Mal gar nicht.
01:00:45 Sara Mohr: Ach ja, das stimmt und wir haben ja in unserer allerersten Folge – Wer mag, kann gerne noch mal reinhören – fest festgestellt, dass Evidenzbasiertes arbeiten immer aus den 3 Teilen besteht: der Literatur also Studien, was wir hier vorstellen, eure eigene Berufserfahrung und der Klient*innen Perspektive und die ist natürlich bei Menschen mit Demenz super spannend und auch wichtig und wir hatten ein bisschen gesammelt. Ich muss jetzt gerade das Dokument einmal suchen. Wir hatten ein bisschen gesammelt. Also natürlich ihr in der Praxis ihr kriegt eure Klient*innen Perspektive, indem ihr euch mit den Klient*innen unterhaltet. Aber manchmal ist es ja ganz gut, die auch noch von anderen Quellen zu bekommen. Das Schwierige ist, ich hätte gern an dieser Stelle Bücher empfohlen, die von Betroffenen geschrieben sind. Die gibt es vielleicht auch. Ich habe jetzt keine gefunden. Also wenn ihr da draußen, liebe Zuhörende, Quellen habt, von Menschen, die selbst Demenz haben und die darüber schreiben oder darüber sprechen, fände ich das total spannend. Empfehlen kann ich einmal das Buch „Es ist nicht alles Demenz“ von Eva Helms. Und das ist ein Buch, das sich zumindest direkt an von Demenz Betroffene richtet. Also nicht an die Angehörigen, nicht an Therapierenden, nicht an Ärzt*innen, sondern an die Leute, die die Diagnose bekommen haben und davon gibt es auch relativ wenig. Die Frau Helms war im Bückware Podcast. Da kann man ja auch noch mal reinhören, und erzählte über ihr Buch. Dann, das erste Buch, das ich über Demenz gelesen habe, was ich persönlich ein sehr schönes Buch fand, war „Das Herz wird nicht dement“, das kann man gut Angehörigen an die Hand geben, weil es sehr schön an ganz vielen Praxis Beispielen aufzeigt, wie Kommunikation gut gelingen kann für Menschen mit Menschen mit Demenz. Und eben ganz stark verdeutlicht zu die Person ist noch da, die Gefühle sind noch da. Es ist Wissen, was verloren geht, aber der Charakter ist noch da und das fand ich ein sehr tröstendes Buch irgendwo. Und wer Lust auf ein bisschen Roman lesen hat oder auch Film schauen „Still Alice – Mein Leben ohne gestern“ ist aus der Sicht einer Person mit Demenz. Die Autorin selber hat keine Demenz, hat aber ganz viel recherchiert und sich mit Betroffenen ausgetauscht. Und schreibt aus der Sicht einer Uni Professorin, die an einer frühen Form von Demenz erkrankt und begleitet sie durch, ich glaube, das erste oder die ersten beiden Jahre nach der Diagnose.
01:03:39 Daniel Nicht: Was mir jetzt noch eingefallen ist, weil ich ja vorhin noch auf gewaltfreie Kommunikation gegangen bin, vielleicht für Leute, die mehr in die Empathie kommen wollen, also nicht nur die Sympathie, sondern auch in die Empathie, vielleicht auch noch mal ein bisschen genauer, sich mit gewaltfreier Kommunikation nach Rosenberg auseinanderzusetzen, weil da geht es wirklich um Gefühle und Bedürfnisse und wie man Leute auch begleitet, sie zu finden. Und auch selber ein Stück weit herauszufinden was sind denn die Bedürfnisse des anderen? Das kann vielleicht für Angehörige, aber vielleicht auch im therapeutischen Setting sehr, sehr guter Skill sein.
01:04:14 Sara Mohr: Sarah und ich hatten einmal eine interne Fortbildung, eine Inhouse Fortbildung in der Praxis zu gewaltfreier Kommunikation, ne? Können wir nur empfehlen ihr da draußen, wenn du Lust hast, macht eine inhouse Fortbildung zu gewaltfreier Kommunikation, falls ihr nicht eine Fortbildung mit Ergo Unterwegs macht, mal kurz Werbung. Zuerst eine Fortbildung mit uns und dann eine Fortbildung zur Gewalt freien Kommunikation, diese Kombination kann ich sehr gut empfehlen. An dieser Stelle dann auch nochmal der Aufruf, wenn ihr Fragen habt, wenn ihr Feedback habt, wenn ihr euch ein Thema wünschen wollt, oder eine Studie habt, die ihr spannend findet, dann schreibt uns entweder an info@ergo-unterwegs.de, oder über Facebook oder über Instagram oder über Twitter. Oder habe ich irgendeinen Social Media Kanal vergessen? Wir sind noch nicht auf tiktok, wir werden dann wahrscheinlich auch nie sein.
01:05:10 Sarah Bühler: Bitte nie.
01:05:12 Sara Mohr: Oder schaut in die Kommentarfunktion auf unserer Podcast Seite. Alle Infos zu Ergo Unterwegs gibt es auf unserer Homepage www.ergo-unterwegs.de. Werbung Ende.
01:05:25 Sarah Bühler: Yeah, okay.
01:05:30 Daniel Nicht: Gut ja, ich glaube, dann schließen wir für heute, Studie ist durch.
01:05:34 Sara Mohr: Wir haben was gelernt.
01:05:37 Daniel Nicht: Genau wir haben was gelernt und ich hoffe ihr auch, ich hoffe, ihr hattet Spaß mit uns und dann hören wir uns in der nächsten Folge. Bis dann!
01:05:44 Sarah Bühler: Ok, bis dann.
01:05:44 Sara Mohr: Ciao.
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