#4 - Was ist Fatigue, wie sieht Selbstmanagement aus und wie können Klient*innen dabei ergotherapeutisch unterstützt werden?

Fatigue ist auch im Zusammenhang mit Covid-19 ein hoch aktuelles Thema. Daniel stellt eine Meta-Analyse zum Thema Selbstmanagement bei Fatigue in der Ergotherapie und Physiotherapie vor.

Geschichten aus dem Alltag: Sara hat ist bei der Leitliniensuche auf ein Science Drama gestoßen. Und Sarah startet in die Selbständigkeit.

Weil es in dieser Folge um sehr komplexe Krankheitsbilder geht, möchten wir direkt zu Beginn nochmal klar die Definitionen von (postviraler) Fatigue, ME/CFS und Long Covid aufzeigen. In diesem Zusammenhang können wir euch auch die Homepage der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS e.V. empfehlen.

Die Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatigue-Syndrom, kurz ME/CFS ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führt. ME/CFS-Betroffene leiden neben einer schweren Fatigue, die das Aktivitätsniveau erheblich einschränkt, unter neurokognitiven, autonomen und immunologischen Symptomen. Eines der Leitsymptome ist Post-Exertional Malaise (PEM): belastungsinduzierte Zustandsverschlechterung, auch Belastungsintoleranz genannt.

Fatigue ist ein Syndrom, das als Begleiterscheinung verschiedener, meist chronischer Erkrankungen auftreten kann. Es zeichnet sich durch eine oft stark einschränkende Erschöpfung auf körperlicher, kognitiver und/oder psychischer Ebene aus. Die Ätiologie ist noch nicht abschließend geklärt. Fatigue kann u.a. im Zusammenhang Tumorerkrankungen und viralen Infekten auftreten.
Bei ME/CFS ist Fatigue nur eins von mehreren Leitsymptomen zur Diagnose, ME/CFS und Fatigue sind daher nicht gleich zu setzen.

Long COVID ist ein noch in der Definierung befindlicher Überbegriff für Symptome, die mehr als 12 Wochen nach einer Infektion mit Covid-19 weiter bestehen. Die genauen Ursachen für ein PostCOVIDSyndrom sind bislang nicht bekannt. Eine Persistenz des Virus bzw. von Virusbestandteilen über Wochen und Monate kann eine Rolle spielen. Patienten mit Post-/Long-COVID geben sehr häufig Fatigue als ein Symptom an. Das Vollbild eines post-infektiösen Chronischen Fatigue-Syndroms (CFS) (ICD-10 G93.3) ist möglich.

Quellen: S3-Leitlinie „Müdigkeit„, S1-Leitlinie „Long-Covid„, Homepage ME/CFS e.V.

Lust auf mehr Evidenz für dein Team?

Der Hilfsmittel Finder von Rehadat leitet euch und eure Klient*innen in nur vier Fragen zum passenden Hilfsmittel.

Die Leitlinie „Müdigkeit“ der DEGAM findet ihr hier, und den zugehörigen Widerspruch der Deutschen Gesellschaft ME/CFS hier. Mehr Infos gibt es außerdem beim Fatigue Centrum der Charité und im Bericht des European Network on Myalgic Encephalomyelitis/ Chronic Fatigue Syndrom.

Wir geben große Follow Empfehlungen für diese Instagram Profile zum Thema ME/CFS:

 

Die Studie dieser Folge ist: Kim, S., Xu, Y., Dore, K., Gewurtz, R., Larivière, N., & Letts, L. (2021). Fatigue self-management led by occupational therapists and/or physiotherapists for chronic conditions: A systematic review and
meta-analysis. Chronic Illness.

00:00:14 Intromusik: Evidenz auf die Ohren. Der Podcast für evidenzbasierte Ergotherapie. 

00:00:26 Sara Mohr: Herzlich Willkommen bei Eurem Podcast für evidenzbasierte Praxis in der Ergotherapie. Und wir sind heute gemeinsam auf dem Weg zusammen mit… 

00:00:35 Daniel Nicht: Daniel Nicht  

Sara Bühler: Und Sarah Bühler. 

00:00:38 Sara Mohr: Und ich bin Sarah Mohr Hallo. Ihr Lieben, habt ihr Geschichten aus dem Alltag mitgebracht? 

00:00:49 Daniel Nicht: Nichts Neues bei mir, ich hab nur American Gods die letzte Staffel heute zu Ende gebracht und bin ein bisschen verwirrt. Ansonsten nichts Neues bei mir. Bei euch so? 

00:01:01 Sarah Bühler: Ich bin noch in der Eingewöhnungsphase Praxis, Strukturierung. Hab jetzt seit 4 Wochen meine eigene Praxis und ja, das schafft mich ganz schön. Da kann ich auch ne kleine Geschichte aus dem Alltag erzählen, aber jetzt auch nichts Weltbewegendes, und zwar meine Schwerpunkte sind ja, Pädiatrie und Demenz und ich hab jetzt die ersten Demenz Patient*innen auch akquiriert und die Hausärzt*innen hier in der Gegend sind doch noch so, dass sie erstmal Besuch in der Praxis verordnen und am Telefon tatsächlich die Angehörigen auch erstmal das in der Praxis favorisieren. Und ich habe jetzt die Erfahrung gemacht, die fürs Erstgespräch erstmal kommen zu lassen, also immer den Erkrankten mit einem Angehörigen, Kind oder eben Lebensgefährte oder Partner, Partnerin und dann ein COPM zu machen zu besprechen wie sind denn die Alltagsschwierigkeiten? Und dann kommen wir eigentlich immer zu dem Ergebnis, dass es doch zu Hause sehr sinnvoll ist. Und dann sind die Angehörigen tatsächlich auch in der Regel sehr motiviert, nochmal mit dem Arzt/ der Ärztin zu sprechen und einen Hausbesuch verordnen zu lassen. 

00:02:07 Sara Mohr: Und das machen die Ärzt*innen dann auch? 

00:02:19 Sarah Bühler: Bis jetzt tatsächlich ja, weil dann ja auch die Angehörigen dahinterstehen und auch noch mal begründen können, warum das sinnvoll ist. Und wir schon ein Stück weit auch erarbeiten mit dem mit dem COPM natürlich erstmal die Probleme definieren, aber dann auch gucken wo solls denn hingehen? Also was wäre denn auch ein Ziel? Was wünschen Sie sich denn? Ja, das sind so meine Erfahrungen die Woche, wo ich erst ein bisschen enttäuscht war, dass so viele doch in die Praxis kommen wollen und auch gezielt nach einem Hirnleistungstraining fragen gerade auch nach dem PC und das in manchen Fällen mit Sicherheit auch sinnvoll sein kann, aber tatsächlich ich doch das betätigungsorientierte im Alltag vorziehe und da ja auch mittlerweile die Evidenz eigentlich ganz gut ist.  

00:03:06 Sara Mohr: Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass dieses Demenzerkrankte vor den Computer setzen, eigentlich eher Frust hervorruft, also ich meine… Was willst du denn auch trainieren? 

00:03:23 Sarah Bühler: Ja, seh ich auch so, außer die waren vorher Computer-affin und das ist irgendwie eine bedeutungsvolle Betätigung gewesen und man probiert die zu erhalten. Und ich finde es eben auch schön im Gespräch mit den Angehörigen, da kann man das auch schon ganz gut anbahnen. Das ist eben auch viel Angehörigenarbeit und ein Stück weit auf dem Weg zu begleiten und auch anzubahnen, dass wir jetzt eben diese Probleme bearbeiten, dafür schauen, ob wir Lösungen finden und das dann noch eine Therapiepause indiziert ist. Solange die Erkrankung stabil bleibt. Ja, wenn die nämlich dann aktiv im Alltag weiterarbeiten, ist das die beste Therapie, die meiner Meinung nach machen können, aktiv sein. Zu gucken was kann man erhalten? Ja, genau ja, das ist meine Geschichte aus dem Alltag. 

00:04:09 Sara Mohr: Sehr schön, vielen Dank, ich habe auch nur eine ganz kleine Geschichte heute, und zwar bin ich irgendwo im Internet darüber gestolpert. Ich weiß gar nicht mehr wo. Kennt ihr Rehadat? 

00:04:21 Daniel Nicht: Oh, schon mal gehört? 

00:04:26 Sara Mohr: Die, die geben ganz viele Infos zu Hilfsmitteln und auch zur Finanzierung von Hilfsmitteln und da gibt es einen neuen Hilfsmittel Finder. Und der ist ziemlich cool, der läuft gerade in der Beta Version die Fragen gerade noch nach ganz viel Feedback. Anhand der ICF listen die dir anhand von nur 4 Fragen, die dir gestellt werden, passende Hilfsmittel auf und ich pack den Link in die Shownotes. Die Handhabung ist halt super einfach und sicher und das ist etwas, was ich mir gut vorstellen kann, dass Klient*innen das auch selbständig nutzen. Aktuell gibt es die Bereiche Hilfsmittel für Arbeiten und Lernen, Hilfsmittel zur Fortbewegung und Hilfsmittel zur Kommunikation und es soll später noch dazu kommen Hilfsmittel für die Körperpflege und Hilfsmittel für Wohnung und Haushalt. Und die sind da alle die einzelnen Hilfsmittel sind super ausführlich beschrieben. Es stehen Preise dabei. Es stehen die Hersteller dabei. Da Rehadat ja nur quasi ein Verzeichnis ist und nicht die Hilfsmittel selber produziert oder an die Nutzenden ausliefert. Und wenn das entsprechende Hilfsmittel im GKV-Hilfsmittelkatalog verzeichnet ist, dann ist da auch direkt die Hilfsmittelnummer mit aufgeführt, weil – und das muss ich immer wieder erklären, auch bei meinen Klient*innen – der GKV-Hilfsmittelkatalog ist ja nicht abschließend, das sind ja nur die Hilfsmittel, wo die Krankenkassen sagen ja, das sind so ein Paar von den Sachen, die wir bezahlen, aber es wird oft so vermittelt, wenn es nicht im Hilfsmittelkatalog steht, dann zahlen wir es auch nicht. Aber das stimmt halt einfach nicht, weil nicht alle Hilfsmittel dieser Welt im Hilfsmittelkatalog stehen und der Rehadat Hilfsmittel Finder gibt aber so ne ganz gute große Übersicht, was es da so alles geben kann und das sind wie gesagt nur 4 Fragen. Also wenn ich jetzt zum Beispiel ein Hilfsmittel zur Fortbewegung haben möchte, dann kann man auf den Bereich Fortbewegung gehen.  Und dann wird man gefragt  

  •  Brauchst du ein Hilfsmittel, um zu Fuß zu gehen?
  • Brauchst du ein Hilfsmittel, wenn eigenständiges Gehen nicht mehr möglich ist? 
  • Brauchst du ein Hilfsmittel um mit dem Auto zu fahren oder in einem Auto mitzufahren? 
  • Brauchst du ein Hilfsmittel zum Fahrrad oder Roller fahren? 

00:07:01 Sarah Bühler: Fahrrad fahren, ich hab gerade jemanden bei dem das Thema ist. 

00:07:07 Sara Mohr: Dann kommt die nächste Frage: 

  • Möchtest du ein Fahrrad mit Pedale fahren?  
  • Möchtest du ein Fahrrad mit Elektroantrieb fahren?  
  • Möchtest du was mit einem Fahrrad transportieren? 
  • Möchtest du Roller fahren? 

00:07:18 Daniel Nicht: Das transportieren finde ich interessant. 

00:07:23 Sara Mohr: Nächste Frage: 

  • Möchtest du Gegenstände transportieren? 
  • Möchtest du einen Rollstuhl mit dem Fahrrad schieben? 

00:07:28 Sarah Bühler: Einen Rollstuhl mit dem Fahrrad schieben? 

00:07:31 Sara Mohr: Das ist ja cool, ok, nehmen wir das mal. 

00:07:34 Sarah Bühler: Wie sieht denn das aus? Das will ich sehen. 

00:07:39 Sara Mohr: Ok, das war die dritte Frage und wir kriegen jetzt 10 Produkte vorgeschlagen. Das nennt sich Rollstuhlfahrrad oder Transportfahrrad und du hast quasi ein Fahrrad, wo du vorne den Rollstuhl entweder auf eine Plattform darauf fahren kannst und dann fährst du das vor dir her, wie bei so einem Lastenfahrrad oder der Rollstuhl wird tatsächlich dran befestigt. Und einer kann hinten fahren und einer kann vorne im Rollstuhl fahren. 

00:08:08 Sarah Bühler: Das ist ja cool was kostet das? 

00:08:15 Sara Mohr: Da gibt es jetzt wie gesagt 10 verschiedene Varianten und dann müsste man gucken, welches da das geeignete ist. Hier gibt es jetzt zum Beispiel eine Option, da steht der Preis jetzt nicht dabei, aber es ist ein Link zur Seite vom Hersteller. Man kriegt ganz viele Informationen wie groß ist das Ding, wieviel Kilo wiegt das, wieviel Kilo darf die Person wiegen, die dann im Rollstuhl sitzt? In welcher Lackierung gibt es das? Ganz cool, ne, und das ist alles nach ICF sortiert. 

00:08:58 Sarah Bühler: Das werde ich nächste Woche mal ausprobieren. 

00:09:00 Sara Mohr: Ja, das waren die Geschichten aus dem Alltag. Vielen Dank fürs Teilen. Ich hab noch eine kurze Nachlese zur letzten Folge, da haben wir ja über Digitalisierung im Gesundheitswesen und interdisziplinären Austausch gesprochen und unter anderem, dass der elektronische Heilberufeausweis eingeführt wird, mit dem sich dann zukünftig Heilmittelerbringende in diese Telematikinfrastruktur quasi einloggen können, und wir haben darüber geredet, dass die Physiotherapeut*innen das jetzt schon erproben, und haben gesagt, ja haben die Ergos mal wieder verpeilt da als Erster hier zu schreien und deshalb dürfen, dass die Physis erproben. Das war falsch. Im Newsletter des DVE war eine Info drin: die Physios dürfen das aus dem einfachen Grund erproben, weil eines der ersten Dokumente, das in die elektronische Patientenakte reinkommt, wird der Mutterpass sein und das heißt alle Berufe, die mit der Versorgung von Schwangeren betraut sind, die müssen eben jetzt auch an diese Telematikinfrastruktur angebunden werden. Die Physiotherapeut*innen machen eben die Rückbildungsgymnastik.  

00:10:16 Daniel Nicht: Ah ok. 

00:10:19 Sara Mohr: Ja, es macht alles Sinn, das heißt, wir wurden nicht übergangen, sondern es macht Sinn, dass die Physios das jetzt erstmal austesten. Genau das war noch eine kurze Nachlese zur letzten Folge und dann hat uns Daniel heute eine Studie mitgebracht, ich bin ganz gespannt. 

00:10:39 Sarah Bühler: Ja, ich auch. 

00:10:41 Daniel Nicht: Ja, ich habe mich in den Wald der Studien begeben und mich mal ein bisschen durchgeschlage. Vielleicht leite ich uns ja erstmal dahin, und zwar in meiner Arbeit mit schwer psychisch erkrankten Menschen ist mir auch gelegentlich mal das Fatigue Syndrom als Diagnose begegnet. Und damals habe ich mich schon ein bisschen eingelesen, aber so den therapeutischen Ansatz, der jetzt wirklich wirksam ist, den habe ich irgendwie nicht gefunden, beziehungsweise ich hatte noch keine Evidenz dafür und ja, dann ist das Thema durch die aktuelle Pandemie jetzt einfach nochmal ein bisschen hochgekocht. Weil ich mir gedacht habe das ist vielleicht nicht nur für mich interessant, was zu Fatigue heraus zu finden, herauszufinden, was wir da als Ergotherapeut*innen gut tun können, habe ich mich quasi auf den Weg gemacht, eine Studie zu finden. 

00:12:13 Sarah Bühler: Ja, cool, weil ich finde, das ist ja auch nicht nur bei COVID Thema, sondern auch bei Krebspatient*innen hatte ich das schon mehrfach, dass sie auch ähnliche Symptome haben oder auch schon Fatigue beschreiben, finde ich cool, da mal Evidenz dazu zu hören. 

00:12:29 Daniel Nicht: Du beschreibst da auch die Hauptgruppe, glaube ich. Die von Fatigue betroffen ist, also ich kenne das auch hauptsächlich aus dem Krebsdiagnosen Bereich. Wo ich halt selber wenig Berührungspunkte hatte bisher, sonst wäre ich wahrscheinlich schon ein bisschen schlauer darüber gewesen, aber ne dadurch, dass ich nicht so schlau zu dem Thema war, habe ich geforscht beziehungsweise mich schlau gemacht. Ich habe eine Studie gefunden, mal frei übersetzt “Fatigue Selbstmanagement unter Anleitung von Ergotherapeuten und/oder Physiotherapeuten bei chronischen Erkrankungen: eine systematische Überprüfung und Meta-Analyse.” 

00:13:08 Sara Mohr: Ja, wann veröffentlicht? 

00:13:10 Daniel Nicht: 2021. 

00:13:13 Sara Mohr: Von Forschenden aus? Ich stelle jetzt die ganzen schwierigen Fragen. 

00:13:23 Daniel Nicht: Von Forschenden aus Kanada. Und ja, was haben Sie gemacht? Sie haben eine eine Studie über Studien mal ganz laienhaft ausgedrückt, haben sie quasi durchgeführt und ich fand jetzt ganz attraktiv daran, dass sowohl für Ergotherapeut*innen als auch für Physiotherapeut*innen quasi also dass sie die Studien von beiden Berufsgruppen genommen haben. Also ich geh jetzt mal so ein bisschen auf die Methodik ein.  

00:14:01 Sara Mohr: Finde ich gut, weil das ist ja eigentlich so, so eine Meta Analyse ist eigentlich so, die Königin der Studiendesigns. 

00:14:12 Daniel Nicht: Genau deswegen hab ich sie mir rausgesucht, aber das war auch echt also die haben verdammt viel gemacht, also ich kann in diesem Podcast nicht alles widerspiegeln oder hundertprozentig erklären, was sie da getan haben.  

00:14:23 Sara Mohr: Nein, gib uns einen groben Überblick. 

00:14:24 Daniel Nicht: Genau in einem ganz kurz zusammengefasst, was die in dieser Studie getan haben die Forschenden haben also überprüft, wie viele Studien, die zu diesem Thema passen, existieren und ob die Ergebnisse dieser Studien übereinstimmen und Empfehlungen zum Beispiel ableitbar sind, oder ob sie wie ein widersprüchliches Bild quasi zeichnen.  

00:14:51 Sara Mohr: Das heißt,  so Meta-Analysen, nehmen einem selber ja immer ein bisschen Arbeit ab, weil wenn ich jetzt eine Fragestellung habe und es gibt keine Meta-Analyse oder keine systematische Literaturarbeit zu meiner Fragestellung dann muss ich ja selber eigentlich mehrere Studien lesen, für mich überlegen, passen die zusammen, sind die widersprüchlich…Und in einer Meta-Analyse, wird das für mich gemacht. Die gucken für mich welche Studien gibt es, haben die Studien eine gute Qualität? Und wie lassen die sich zusammenfassen, oder? 

00:15:18 Daniel Nicht: Ja, genau. 

00:15:33 Sarah Bühler: Ja, ich finde das immer so ein bisschen wie, kennt ihr früher aus der Grundschule noch diese Inhaltsanalysen, die man machen musste oder so Zusammenfassungen schreiben, das ist für mich eine Meta-Analyse, ne man wirft vieles in einen Topf, guckt vorher, gehört das alles zusammen, dann guck man, was rauskommt. 

00:15:51 Sara Mohr: Ich habe immer so das Bild von so einem Trichter, wo man oben alle Studien reinschmeißt, die es dazu gibt und dann filterst du dich ja so ein bisschen durch, dann machst du erstmal auch immer eine Qualitätsanalyse von den Studien, das heißt, gibt es überhaupt zu dem Thema Studien von guter Qualität oder haben wir nur so larifari Studien? Genau das ist nämlich der Punkt, was einem Laien immer so schwierig fällt zu beurteilen ist das denn jetzt eine gute Studie oder nicht? Und die nehmen einem die Arbeit ab. Also was für mich ja am Anfang erstmal wichtig zu wissen wäre, weil ich hatte tatsächlich noch keine Klient*in mit Fatigue, soweit ich mich erinnere wenn, dann ist es sehr lange her. Ich wüsste jetzt nicht wie es definiert ist. Ich kriege mit, dass es momentan viel in der Diskussion ist und ich habe das Gefühl, dass es noch ein sehr schwammiger Begriff ist oder zumindest habe ich mir ein bisschen Social Media dazu angeguckt, also ich war auf Instagram und auf Twitter so ein bisschen unterwegs und ich habe das Gefühl, dass die Betroffenen sehr dafür kämpfen, dass es überhaupt anerkannt wird. Das war so mein Gefühl dazu. 

00:17:08 Sarah Bühler: Genau ja, ich habe auch immer das Gefühl, dass Fatigue und Fibromyalgie Patient*innen gerne in einen Topf geworfen werden, weil es eben noch wenig dazu gibt. Ja, für mich wäre interessant zu wissen wie ist es denn definiert? Gibt es eine CD 10 Code? 

00:17:34 Sara Mohr: Das hat einen ICD 10 Code: G93.3 chronisches Müdigkeitssyndrom, chronic fatique Syndro, fällt unter sonstige Krankheiten des Gehirns. 

00:17:44 Daniel Nicht: In dieser Untersuchung wurde Müdigkeit als sekundär zu chronischen Erkrankungen betrachtet und von allgemeiner Müdigkeit dadurch unterschieden, ne also es ist quasi immer abhängig von einer anderen Erkrankung. Und dass sie nicht durch Ruhe und Schlaf gemildert wird, sondern als ungewöhnliche, extreme, anhaltende oder problematische körperliche und geistige Müdigkeit und Energielosigkeit definiert. 

00:18:25 Sarah Bühler: Okay. 

00:18:27 Sarah Bühler: Und das ist aber glaube ich auch für Betroffene total schwer anderen zu erklären, weil jeder wird ja sagen ja, dann ruh dich aus oder mach eine Pause oder leg dich halt hin geh früher ins Bett, so da Verständnis zu schaffen, weil man ja vor allem auch gesund aussieht also man sieht das einem ja nicht an, also das sind immer so Erkrankungen wichtig, dass Betroffene es wirklich schwer haben momentan in der Gesellschaft. 

00:18:53 Daniel Nicht: Das ist halt so eine klassische stigmatisierte Gruppe, ne, man kann es nicht genau sehen, deswegen werden sie nicht ernst genommen. 

00:19:02 Sara Mohr: Ich bin auch nochmal auf meiner Suche nach Definition gestoßen auf die Unterscheidung zwischen chronischer Fatique, also das, worüber wir jetzt sprechen, wenn es quasi assoziiert ist mit einer Grunderkrankung, zum Beispiel mit einer Krebserkrankung und dem chronischen Fatigue Syndrom, das nach einem Infekt auftreten kann, aber auch nicht und man weiß nicht so genau. Und das ist für die Leute dann nochmal schwieriger, weil sie hat nicht mal sagen können warum habe ich das jetzt, wo kommt es her, was ist die Grunderkrankung mit der das verbunden ist. 

00:19:38 Sarah Bühler: Ja, der Auslöser ist halt einfach nicht bekannt, ja. 

00:19:40 Sara Mohr: Genau, und das ist vielleicht noch mal eher akzeptiert okay, ja, ich habe Krebs und deshalb habe ich eine Fatique, ist vielleicht noch mal eher akzeptiert als ich bin einfach fertig, ich kann einfach nicht mehr, ohne sagen zu können das ist das und deshalb. Also diese Unterscheidung habe ich einfach nochmal wichtig gefunden. Wichtig ist, wir sprechen jetzt in deiner Studie über chronische Fatigue, die mit einer Grunderkrankung verbunden ist, mit einem konkreten Auslöser? 

00:20:08 Sarah Bühler: Ich hab noch mal eine Frage dazu, ich weiß auch gar nicht, ob wir das jetzt klären können, aber wie unterscheidet man das dann von der Depression? Also weil diese Symptome Müdigkeit, Abgeschlagenheit, auch erschöpft sein, das hat man jetzt auch schon Burnout genau, also das finde ich super schwierig. 

00:20:27 Daniel Nicht: Ja, da bin ich auch bei dir also gerade wie diagnostiziert man es und was sind so die die Unterschiede davon. Ich finde es auch sehr, sehr schwer, da bin ich froh, nicht der Arzt zu sein, der diagnostizieren muss. Genau und das nächste, wo wir gerade bei Definitionen sind, wo ich drauf eingehen möchte es wird ja von Fatigue Selbstmanagement gesprochen und da war für mich ein bisschen die Frage, wie definieren sie das? Danach haben sie auch ihre Studien quasi raus gesucht. Und Selbstmanagement wird definiert als die Fähigkeit des Einzelnen, in Zusammenarbeit mit der Familie, der Gemeinschaft und medizinischem Fachpersonal mit Symptomen, Behandlungen, Änderung des Lebensstils und Psycho-sozialen, kulturellen und spirituellen Folgen chronischer Krankheiten umzugehen. 

00:21:28 Sarah Bühler: Das klingt sehr ergotherapeutisch, ja, ich wollte gerade sagen, das sind doch unsere Modelle dabei, oder? 

00:21:46 Daniel Nicht: Zu den gemeinsamen Selbstmanagement Prozessen gehören erstens das Setzen von Zielen, zweitens Selbstbeobachtung und reflektierendes Denken. Drittens das Treffen von Entscheidungen für die Planung und Durchführung spezifischer Gesundheitsverhaltensweisen. Viertens die Selbstbewertung und Sechstens, der Umgang mit körperlichen, emotionalen und kognitiven Reaktionen im Zusammenhang mit der Änderung des Gesundheitsverhaltens. So ist Selbstmanagement definiert in der Studie. 

00:22:24 Sara Mohr: Das heißt, wir haben das definiert, das ist für uns Selbstmanagement oder Fatigue Selbstmanagement und dann haben sie geguckt was gibt es für Studien, die sich das Themenfeld angucken quasi? 

00:22:39 Daniel Nicht: Also dazu komme ich jetzt noch ein bisschen. Also sie haben versucht, randomisiert kontrollierte Studien zu finden, RCTs, oder auch CTs wobei die mindestens eine Vergleichsgruppe haben mussten. Also die haben auch quasi nicht randomisierte Trials ausgesucht aber die mussten auf jeden Fall eine Vergleichsgruppe haben. Ausschlusskriterien waren für die Studien: mehr als 50% der Studien waren inhaltlich nicht zu Fatigue und wenn weniger als 50% Beteiligung von Ergo- oder Physiotherapeut*innen.  

00:23:37 Sara Mohr: Mhm wollen wir kurz noch einmal sagen oder erklären, was RCTs sind? Die sind eigentlich das, was wir uns unter einem klassischen Experiment vorstellen. Sie sind randomisiert, das heißt, ich habe mindestens 2 Gruppen, die ich untersuche. Wir nehmen als Beispiel mal, wir wollen herausfinden, ob ein neues Medikament wirkt, wir haben ein neues Medikament erfunden und wollen wissen, ob das wirkt. Und dann muss ich ja mindestens 2 Gruppen haben, das heißt, ich muss eine Gruppe haben, die das Medikament bekommt, und eine Gruppe, die den Placebo bekommt. Um nachher vergleichen zu können, wirkt denn dieses Medikament besser als kein Medikament? Und diese Gruppen sind randomisiert. Das heißt, die Leute werden zufällig in die Gruppen eingeordnet, damit ich nachher die gleichen Ausgangskriterien habe. Es wäre jetzt unfair, wenn ich in eine Gruppe viel gesündere Leute packen würde als in die andere Gruppe. Ich brauche gleiche Ausgangsbedingungen, das heißt, es wird randomisiert zugeordnet. Ich möchte möglichst gleiche Gruppen haben, dann bekommen die über den gleichen Zeitraum die gleiche Dosis an Medikament oder nicht Medikament und am Ende kann ich wieder vergleichen. Hat sich da was verändert? Das ist also das Randomisieren, das zufällige Zuordnen. Und das kontrolliert das C, in dem RCT steht dafür, dass ich eine Kontrollgruppe habe und das T steht für Trial also für eine Studie. Also eine randomisierte kontrollierte Studie. Eingutes RCT heißt, du hast eine eine Kontrollgruppe, das heißt, du hast viele Probanden und deine Ergebnisse sind deshalb sehr belastbar. Also du kannst nachher mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit sagen, ja, das Medikament wirkt besser als der Placebo oder es wird nicht besser als Placebo. Deshalb ist es so wichtig, eine Vergleichsgruppe zu haben. Wenn ich jetzt einfach nur eine Gruppe hätte und gebe der das Medikament und sage ja, schau, die sind alle gesund geworden, weiß man nicht, vielleicht wären die auch von alleine wieder gesund geworden. Man weiß dann eben nicht, ob es wirklich mit dem Medikament zusammenhängt. Wenn ich jetzt nicht ein Medikament untersuchen möchte, sondern eine Therapie also zum Beispiel, ob eine ergotherapeutische Intervention wirklich besser hilft als – keine Ahnung – einfach nur bei den Leuten sein 45 Minuten. Dann ist es natürlich ein bisschen schwieriger. Weil ein Faktor wegfällt, der bei ganz vielen anderen Studien oft drin ist, nämlich die Blindierung. Bei Studien wissen die Probanden nicht, ob sie das Medikament, oder den Placebo erhalten. Und auch die Ärzt*innen, die die Medikamente oder den Placebo rausgeben, wissen nicht, ob sie Placebo oder Medikament ausgeben. Diese Technik, diese Blindierung, ist super wichtig, um nicht unbewusst das Experiment zu beeinflussen. Das funktioniert aber nicht bei Therapien. Weil ich als Therapeut weiß ja, mache ich gerade Ergotherapie oder mache ich gerade was anderes und oft ist es da auch für die Patient*innen einfacher zu durchschauen, krieg ich gerade eine Therapie oder ist es gerade einfach nur, dass jemand bei mir 45 Minuten und das ist oft ein Kritikpunkt, wenn so Therapiemaßnahmen erforscht werden, dass es eben nicht diesen hohen Qualitätsstandards genügt, die eben andere, zum Beispiel Medikamententrials einfach erreichen können. Aber das ist eben Punkt, wo man Abstriche machen kann. Deshalb sind aber Meta-Analysen im Bereich Therapiemaßnahmen schwieriger oder seltener oder haben oft das Outcome ja, wir haben einfach nicht genug Studien mit guter Qualität. Kurzer Exkurs, Entschuldigung zurück zu Ihnen, Herr Nicht. 

00:27:34 Daniel Nicht: Kein Problem, dann mach ich jetzt nochmal kurz mit den Ausschlusskriterien weiter, und zwar ist es so wenn weniger als 50% der Inhalte zu Fatigue waren und wenn weniger als 50% der Inhalte Beteiligung von Ergo- oder Physiotherapeut*innen waren, dann wurden die Studien ausgeschlossen. Außerdem was sie gesagt haben, sie haben nur englische Artikel gesucht, also nur Artikel in englischer Sprache und dann haben sie 2017 und 2020 in verschiedenen Literaturrecherche Datenbanken gesucht. Die gefundenen Studien auf ihre Relevanz oder Irrelevanz kategorisiert. Und insgesamt, das fand ich sehr beeindruckend, wurden 12188 Studien rausgesucht. 

00:28:31 Sarah Bühler: Krass, dass es dazu so viel Forschung gibt. 

00:28:35 Daniel Nicht:Ah ja also Moment. Die haben die nicht alle gelesen, also da ging es dann erstmal nur um das Abstract. Davon wurden dann 4587 als Duplikate aussortiert, also das hat dann das Ganze dann doch schon mal ein bisschen reduziert. Aber übergeblieben sind immer noch 7417. Allerdings muss man sagen, ich hab mir mal aus Interesse auf Pubmed angeguckt, wieso die Publikationszahlen zu Fatigue sind und die sind in den letzten 20 Jahren deutlich gestiegen. Genau also von diesen 7417 Studien, die sie dann quasi aufs Abstract hin überprüft haben sind dann am Ende 184 übriggeblieben. Und von denen wurden 147 aussortiert, weil sie dann nicht doch nicht zu den Einschlusskriterien gepasst haben. Übrig geblieben sind dann ganze 36 Studien. und von diesen 36 Studien waren dann auch 34 RCTs ne, da hatte ja Sara gerade gesagt, dass das quasi schon eine hohe Aussagekraft haben kann. Das fand ich auch bemerkenswert und um Mal zu sagen, auf wie viele Patient*innen wir dann dadurch blicken, es sind 3109.  Die Aussagekraft von dieser Studie geht über 3109 Patient*innen und auch über diverse Länder. Viel aus den Niederlanden und Kanada, aber auch Spanien, Italien ich glaube, auch aus den arabischen Bereichen gab es auch was. Also da auch schon aussagekräftig für viele Menschen genau. Auch interessant von den 36 Studien waren 15 Studien von Physiotherapeute*innen hauptsächlich und 17 Studien von Ergotherapeut*innen und 4 Studien von beide Fachbereichen. 

00:31:15 Sara Mohr: Oh ja, das war ganz gut ausgeglichen, eigentlich sehr schön trotzdem. 

00:31:28 Daniel Nicht: Jetzt ist die Frage was fanden die Forschenden heraus? Ne also wir haben jetzt quasi das Ganze extrahiert, alle Studien durchgelesen und quasi verglichen. Und in der qualitativen Analyse der Studien haben die Forscher klar benannt das die Evidenz gering ist, da die verwendete Methode der Messung von also Evidenz, hat ein hohes Risiko von Verzerrungen und Heterogenität der Studien ergeben. Das Instrument dass sie dafür benutzt haben war GRADE. 

00:32:00 Sara Mohr: Mhm dieses GRADE ist ein Tool, mit dem Du überprüfen kannst, wie eben die Qualität von der Studie ist und wie wir vorhin gesagt haben, Studien die Therapiemaßnahmen untersuchen sind schwer wie ein Experiment zu designen, du kannst die Leute ja nicht ins Labor sperren, unter Laborbedingungen und sagen so jetzt nur Therapien und wir vergleichen. Weil es eben sehr viele menschliche Faktoren gibt. 

00:32:41 Daniel Nicht: Genau, also das lässt schonmal eine Aussage zur Qualität der Evidenz zu. Und wegen den Unterschieden zwischen den Populationen, den Interventionstypen und Protokollen sowie den Ergebnissen ist es anscheinend möglicherweise schwer für Praktizierende zu entscheiden, ob sie die Ergebnisse für einzelne Klient*innen nutzen sollten oder nicht. Das fand ich auch ein bisschen schade, da hätte ich mir etwas anderes gewünscht, aber das zeigt nur mal das da auch sehr kritisch geforscht wurde. Die Forscher haben sich natürlich auch gefragt warum es zur Inkonsistenz kommt und einen Grund, den sie angeführt haben, ist, dass Veränderungen des Gesundheitsverhaltens im Laufe der Zeit ja auftreten. Und hier beziehen sich die Forschenden auf andere Forschung. Diese Fachpersonen berichten, dass es im Durchschnitt 66 Tage, also ungefähr zweieinhalb Monate dauert, bis sich eine gesundheitsbezogene Gewohnheit herausgebildet hat in einer Spanne von 18 Tagen bis 254 Tagen. So was bedeutet, dass die Gewohnheitsbildung ein langwieriger Prozess ist. Unter diesem Aspekt haben sich die Forschenden angeguckt, ok wir haben 36 Studien, über welchen Zeitraum gehen die denn, ne? Weil ja viel auch mit Veränderung von Verhalten einhergeht. Es gab nur eine Studie, die eine einjährige Nachuntersuchung gemacht hat. Die anderen Nachuntersuchungsintervallen lagen zwischen 8 Wochen und bis 6 Monaten irgendwo dazwischen. Die sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die meisten Fatigue Management Programme mit uneinheitlichen Ergebnissen, die in dieser Forschung einbezogen wurden, zwischen einer Dauer von 2 – 12 Wochen lang also zu kurz waren, um zu schauen, ob die Teilnehmenden wirklich ihr Gesundheitsverhalten verändert haben. Diese kurzen Zeiträume reichen möglicherweise nicht aus, um positive Auswirkungen auf das Fatigue zu erzielen.  

00:34:59 Sarah Bühler: Gab es auch nochmal Daten dazu, wie die Frequenz war? Also nicht nur wie lange es ging, sondern auch wie oft pro Woche ne Intervention stattgefunden hat, also war das auch ein Faktor, der relevant war? 

00:35:14 Daniel Nicht: Ist mir jetzt nicht im Kopf. 

00:35:23 Sara Mohr: Mhm kann ich mir auch vorstellen, dass es da auch sehr unterschiedliche Vorgehensweisen gibt. Ja, dann sagst du, ok wir jetzt hier in Deutschland wir möchten gerne gucken, wie Fatigue Management in der Ergotherapie gemacht wird, dann musst du erstmal ein Protokoll entwickeln. Was macht er in der zweiten Einheit? Was macht er in der dritten Einheit? Wie lange machen wir es insgesamt?Und das kann natürlich, wenn sich das ne forschenden Gruppe in den Niederlanden überlegt, sieht das natürlich vollkommen anders vielleicht aus, vielleicht ähnliche Inhalte aber vielleicht machen die zweimal die Woche und dafür nur über 6 Wochen statt über 12? Und schon kann ich das eigentlich nicht mehr vergleichen. Also natürlich kannst du vielleicht aber noch bis zum gewissen Grad. 

00:36:18 Sarah Bühler: Ja, das ist ja aber das, was in in der Therapie immer schwierig ist, oder auch gerade in unserem Berufsfeld, ja, warum es auch so schwierig ist, die Evidenz zu finden. Weil wir eben auch noch wenig Protokolle haben. 

00:36:33 Daniel Nicht: Naja, und durch diese unterschiedlichen Zeiträume der Nacherhebung sind sie halt dazu gekommen, dass es für Gewohnheiten eine gewisse Zeit braucht. Und dann einfach Unstimmigkeiten noch gibt. Also was ich da für mich, also für meine Praxis rausgenommen habe ist, dass gerade im Bereich Fatigue ich sehr viel Zeit brauche für meine Klient*innen ne also, dass ich das nicht planen kann mit einem Rezept und dann ist alles gut, sondern wenn ich eine*n Fatigue Klient*in annehme, dann muss ich damit rechnen, dass bis sich eine anderes Verhalten eingeprägt hat einfach sehr viel Zeit vergehen wird. 

00:37:30 Sarah Bühler: Das glaube ich auch, weil ich finde immer, wenn es uns so Gewohnheitsänderungen geht, hat man ja auch ne relativ lange Evaluationsphase, ne wo man eben schaut ok, wo man verschiedene Assessment macht, ja einmal zum Tagesablauf, dann eventuell noch zu den Gewohnheiten und so das teilweise ja auch schon ein Teil der Intervention ist, weil die Klient*innen ins Reflektieren kommen.  

00:37:57 Sara Mohr: Hm und ich glaube sowas lässt sich in so Trials gar nicht so gut abbilden oder was organisatorisch einfach nicht so gut abgebildet werden kann. Du fängst ja mit deinen Klient*innen nicht von Tag 1 mit einer Verhaltensänderung an. Erstmal musst du durch deine Assessments erstmal eine Vertrauensbasis aufbauen, muss erstmal gucken was haben die überhaupt für Ziele? Wo wollen wir dann hin und dann kommst du ja irgendwann zu dem Punkt ok, das ist also ihr Ziel gut. Was ist denn die Verhaltensänderungen, oder die Umweltänderungen oder die Betätigungsanpassung, die wir hier brauchen, um dahin zu kommen? Und dann fängst du eigentlich an, also man kann jetzt nicht sagen gut, die haben das in dem Versuch innerhalb von 6 Wochen gemacht. Das heißt, ich habe jetzt 6 Wochen Therapie und dann ist tutti also da bin ich ganz bei dir, Daniel dass du sagst das kann man nicht, das muss man individuell gucken, wie das zu den Klient*innen passt. 

00:38:46 Sarah Bühler: Was ich glaube, was auch noch gerade so in der Praxis auch ein großes Problem ist, dass wir auch alle unterschiedlich dokumentieren, also selbst wenn ich jetzt ein Protokoll hier anwenden würde, könnte man meine Doku, wäre das wahrscheinlich eine andere, selbst wenn du das gleiche Programm anwenden würdest Daniel, weil wir da ja auch noch kein Instrument momentan haben. Das ist eine interessante Frage gibt es denn für Fatigue oder vielleicht allgemeiner für Energiemanagement gibt es eine ergotherapeutische… 

00:39:15 Sara Mohr: Ach na, es gibt ja jetzt das ETPro als Dokumentationstool. Aber gibt es ergotherapeutische Programme speziell für Fatigue? Wie zum Beispiel das Handeln gegen Trägheit oder so, kann ich das da einsetzen? 

00:39:33 Sarah Bühler: Ich glaube also, das ist auch das Erste, was mir dazu eingefallen ist tatsächlich, wobei ich auch direkt dachte an Lebe dein Leben gut. 

00:39:42 Daniel Nicht: Ja also Handeln gegen Trägheit kann ich mir gut vorstellen. Das kann man ja auch gut individuell anpassen. 

00:39:49 Sara Mohr: Aber ansonsten spezifisch für Fatigue wüsstest du jetzt nicht, dass es da ein ergotherapeutisches Programm gibt? 

00:39:56 Daniel Nicht: Nee also, aber dann muss ich auch sagen da bin ich kein Experte zu. Dann kommen wir nochmal zurück zur Studie. Und zwar haben sie gesagt sie geben generell in der Studie keine klaren Empfehlungen, ne also sagen nicht tut dies tut jenes, das wäre jetzt aber auch sehr besonders. Allerdings gibt es positive Ergebnisse nachher würde ich gerne berichten. Rein übersetzt aus der Studie sagen sie nämlich in Anbetracht der positiven Ergebnisse zum Selbstmanagement legen sie nahe dass Bewegungsprogramme die aktive Teilnahme der Teilnehmer unterstützen die Fatigue und weitere gesundheitsbezogene Ergebnisse verbessern können. 

00:40:50 Sara Mohr: Was genau meinen die mit Bewegungsprogramme, die Teilhabe unterstützen? Bewegungsprogramm klingt für mich jetzt erstmal nach Physio. 

00:41:12 Daniel Nicht: Also das weiß ich nicht genau, würde aber mal annehmen, dass es  vielleicht tatsächlich Gruppenprogramme sind oder halt Tätigkeiten im Alltag, die du dann nicht alleine durchführst.  

00:41:29 Sarah Bühler: Ja, ich könnte mir auch vorstellen, dass es eben auch Bewegungsprogramme sind, wo der der Patient oder die Patientin nicht nur passiv ist… 

00:41:37 Sara Mohr: Wobei du da sehr aufpassen musst bei Fatigue, weil sonst rutschst du ja in diesen krassen Erschöpfungszustand danach, das ist ja häufig das Problem. Also klar kriegst du die vielleicht motiviert in Bewegung zu kommen oder irgendwie jetzt diese Betätigung auszuführen, aber dann sind die halt danach eine Woche vollkommen fertig und es geht gar nichts mehr. Also einfach nur zu sagen, macht doch ein Bewegungsprogramm und dann vielleicht noch in der Gruppe, wo du nicht individuell eingehen kannst? Aber das ist jetzt meine Meinung, ohne dass ich die Studie gelesen habe. Sicherlich ist es gut, wenn die Klient*innen individuell herausfinden wieviel Bewegung tut mir gut und wann kann ich Bewegung in meinen Alltag einplanen, ohne dass ich danach ja eine Woche im Bett liegen muss, weil gar nichts mehr geht, weil ich mich übernommen habe? 

00:42:35 Daniel Nicht: Also die Forschenden gehen tatsächlich nochmal darauf ein, also sagen auch, dass sie quasi empfehlen, dass wenn sich eine Verschlechterung der Symptome abzeichnet, dass dann die Person nicht weiter überfordert werden sollten, also dass man quasi ein Belastungsniveau festlegt und das einhält und vielleicht mal ausprobiert, aber nicht überschreitet und sie gehen halt auch nochmal ganz speziell auf die Krebssymptomatik ein, also wenn hier zu, dass weitere Forschung erforderlich ist, um die wirksamsten Arten von Übungen zu verringern, bei der Fatigue zu bestimmen weil das im Krebsspektrum nicht so ganz einfach ist. Daher sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die optimale Art und Dauer und Intensität der Übungen zu bestimmen. Die Prinzipien des Selbstmanagements zur Verbesserung der Fatigue zu berücksichtigen. Also da, da gehen Sie auch direkt nochmal drauf ein und das sind halt auch nochmal Sachen, wo ich mir gedacht habe, da hab ich auch noch meinen Tipp für meine Praxis es ist auf jeden Fall in Betätigung zu gehen. Aber unter der Prämisse, dass ich wirklich genau gucke, wie belastbar ist mein*e Klient*in?  Was sind die Energie Level? 

00:44:08 Sarah Bühler: Und daher dann aber auch anzuleiten, dass sie das auch selbst merken. Weil das ist ja das, was sie dann im Alltag auch brauchen, für andere Betätigungen oder andere Aktivitäten. Da ein Bewusstsein zu schaffen, glaube ich, ist auch wichtig. 

00:44:25 Sara Mohr: Ich glaube, ein gutes Tool kann eben sein, erstmal so ein Energie Tagebuch zu führen, ne erstmal zu gucken wann ist denn ein bisschen Energie da bin ich immer auf 0 oder gibt es vielleicht Phasen, nachdem ich das und das gemacht habe, nachdem ich mich da ausgeruht habe, oder das hilft mir zu entspannen und dann habe ich vielleicht wieder in Energie Level von 4 und kann das nutzen, ohne mich vollkommen zu erschöpfen um dann mir ein Abendessen zu kochen oder so. Aber das klingt als müsse man das sehr, sehr individuell und sehr feinfühlig vorgehen. 

00:45:04 Daniel Nicht: Das stimmt und das hab ich mir einfach auch mit rausgenommen. Also, dass ich da quasi wirklich ganz genau gucken muss und der*die Klient*in einfach auf als Fachmann*frau für sich selber ist. Und klar sein Energie Level merken muss ne und das ist wahrscheinlich auch ganz ganz wichtig, dass das kommuniziert wird, dass mir direkt gesagt wird wann fängt Erschöpfung an, ne weil wir als Therapeut*innen, dass wir irgendwann zwar sehen, aber nicht im ersten Stadium mitbekommen. 

00:45:44 Sarah Bühler: Ja, das ist glaub auch nochmal wirklich wichtig, dass man vermittelt, dass der Klient oder die Klientin Expert*in für sich selbst. 

00:45:52 Sara Mohr: Das klingt so, als müsse man diese Balance finden zwischen… Es ist ja was, wovon man sich nicht ausruhen kann, ne es ist ja eine Müdigkeit, wo es nichts hilft im Bett zu liegen, aber wenn du dich gerade danach fühlst, das im Bett liegen dir gut tut, dann leg dich ins Bett. Wisst ihr, wie ich meine? Diese Balance also ich kann nicht jemanden jetzt überreden und zwingen mach doch mal Sport, dann geht es dir besser das ist ja diese tollen Tipps, die man immer von allen bekommt, mach mehr Sport, ernähr dich doch gesünder. Sondern da ja wirklich anzuleiten selber ein Gefühl dafür zu bekommen und vielleicht ist es dann auch ein Punkt, wie wenn wir hier von Selbstmanagement reden nicht nur wie fühle ich das für mich und wie setzt sich das für mich um? Sondern wie kommuniziere ich das auch in meinem Umfeld und wie komme ich damit klar, dass das eine Erkrankung ist, für die ich vom Umfeld nicht unbedingt Verständnis bekomme? Weil ich kann mir schwierige Gespräche mit Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen zum Beispiel vorstellen, wenn ich Fatigue habe. 

00:46:58 Sarah Bühler: Ja ja, auch vielleicht wie kann ich meine Erwartungen verändern, damit mich das auch persönlich nicht mehr so trifft? Was erwarte ich? Von anderen könnte auch was sein, was einfach schwierig ist. Sich damit auseinanderzusetzen, weil letztendlich die anderen zu verändern, ist ja immer schwierig. 

00:47:19 Daniel Nicht: Das stimmt also mit einer Fatigue im Arbeitsleben, glaub ich auch noch sehr, sehr schwer, weil du da voll das Stigma abbekommst, ne da musst du wirklich dann auch dein Handeln und Denken quasi dann anpassen um da stand zu halten, um resilient zu bleiben. 

00:47:40 Sarah Bühler: Ja ja, ich habe gerade eine Patientin, wo das großes Thema ist in Kontakt mit dem Arbeitgeber gehen, wo wir festgestellt haben, dass dieses zur Arbeit fahren zu bestimmter Zeit , einfach nicht geht, wenn die um 8 im Büro sein muss. Das kann an 3 Tagen klappen und dann klappt es wieder nicht. Das heißt, da ist jetzt erstmal die Lösung auszuhandeln, ob es Gleitzeit geben kann, dass sie das individuell nach ihrem Empfinden anpassen kann. Aber dann ist natürlich jetzt die Rückmeldung vom Chef wieso soll man der das erlauben, wenn das andere nicht haben? Ja, wo es dann wieder darum geht wie kriegt man das im Unternehmen integriert. Wo dann jetzt doch die Überlegung ist, weil Home Office gerade einfach mehr akzeptiert ist, ob man über Home Office laufen lässt und die Möglichkeit, ins Büro zu gehen, dass eben das mit der Gleitzeit jetzt zu dem Zeitpunkt in dem Unternehmen nicht umsetzbar ist. 

00:48:47 Sara Mohr: Ich finde, es sollte vielmehr Home Office geben, ich verstehe das nicht, warum sich da in Deutschland so ein bisschen quer gestellt wird oder immer noch so dieses Vorurteil herrscht, dann arbeitet man ja nicht richtig, wenn man zu Hause ist also ich sehe das hier in Australien ist es tatsächlich überhaupt gar keine Diskussion, dass du Home Office machen kannst. Natürlich also sofern du jetzt halt nicht Bäcker bist, klar das ist schwierig, aber für alle Dienstleistungsberufe, die einen Computer und ein Telefon benötigen, dann bleib halt zuhause. Da ist es eher die Überlegung wie ist es für meine Work Life Balance? Möchte ich meine Arbeit mit nach Hause nehmen oder nicht ne, das ist ja auch eine wichtige Überlegung aber… 

00:49:32 Daniel Nicht: Ist mein Arbeitsplatz zuhause ergonomisch so eingerichtet, dass ich da nicht kaputt gehe? 

00:49:35 Sara Mohr: Ah da kommt der Ergonom Jajaja. 

00:49:41 Sarah Bühler: Ja, das ist glaub ich auch ein Thema, über das wir endlos diskutieren können, dass wir in Deutschland momentan die Corona Regelungen sind oder auch nicht. 

00:49:51 Daniel Nicht: Gut dann nutze ich das jetzt, um wieder an die Studie anzuknüpfen. Und zwar hab ich jetzt quasi so die Aussagen jetzt mal präsentiert und jetzt kommen wir mal zum Fazit der Studie und es ist relativ kurz, deswegen hab ich das auch wieder frei übersetzt und lese es einfach nochmal vor und zwar sagen die Forschenden: Fatigue ist ein kompliziertes Symptom mit verschiedenen Aspekten, darunter der Schweregrad der Fatigue, die Auswirkungen und multidimensionale Aspekte. Wir haben diese Aspekte nicht differenziert, da uns Informationen über die genauen Unterschiede zwischen ihnen fehlen. Forscher*innen müssen daran arbeiten, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Dimensionen der Fatigue zu verstehen. Erst dann können sich zukünftige Untersuchungen auf einen bestimmten Aspekt der Fatigue konzentrieren und die Wirksamkeit eines Fatigue Selbstmanagement Programms in Bezug auf diesen Aspekt bestimmen. 

00:50:48 Sara Mohr: Also wir brauchen mehr Forschung? 

00:50:51 Daniel Nicht: Ja, allerdings mit relativ klarem Auftrag finde ich, ne also die 3 Bereiche. Diese benennen also Schweregrad, Auswirkungen und multidimensionale Aspekte. Aber am Ende kommen sie auch und das finde ich halt krass, weil wir haben oben 12188 Studien reingedrückt kam irgendwie bei 36 raus und diese 36 kommen zu dem Ergebnis ja, wir brauchen eigentlich mehr. 

00:51:32 Sara Mohr: 36 ist ja auch nicht viel, wenn du jetzt sagst ok, das ist alles englischsprachige, was sich mit Fatigue und Ergo/Physiotherapie beschäftigt ist 36 eigentlich nicht viel. 

00:51:57 Daniel Nicht: Aber das haben sie quasi auch in ihrer Reflexion benannt ne oder in ihrem Weaknesses, dass sie nur englische Sprache benutzt oder englischsprachige Studien mit einbezogen haben. Und ja, da ist mir halt nochmal oder ist halt nochmal klar geworden wie wichtig eine einheitliche, Forschungssprache ist. Und das war es quasi von der Studie. 

00:52:25 Sara Mohr: Ja, das war sehr spannend. Ich würde da gerne noch kurz ein bisschen Science Drama ergänzen. Weil ich überhaupt noch nie Klient*innen mit Fatigue hatte oder zumindest wie gesagt war es lange her und als ich gehört habe, dass du das Thema machst, dachte ich, ich muss mich aber ein bisschen einlesen, wenn wir im Podcast drüber reden und wenn ich mich einfach nur ein bisschen einlesen möchte, gucke ich, ob es eine Leitlinie gibt. Und dann habe ich nach einer Leitlinie gesucht. Nach einer deutschen Leitlinie für Fatigue. Und da hat sich das Science Drama eröffnet Freunde. Es gibt von der AWMF dazu keine Leitlinie. Zumindest habe ich keine gefunden. Es gibt aber eine Linie von der DEGAM. Das ist die deutsche Gesellschaft für Allgemein und Familien Medizin. Da gibt es eine Leitlinie Müdigkeit von 2018. Und ich fand schon den Begriff Müdigkeit als Titel für eine Leitlinie, wo Leitlinien sonst heißen Leitlinie Schlaganfall, Leitlinie Multiple Sklerose, Leitlinie Müdigkeit also Müdigkeit an sich ist ja jetzt mal nichts Pathologisches. Ist ganz gut eigentlich, wenn gelegentlich müde ist und da, da fängt das Drama an, weil es gab gegen diese Leitlinie direkt Widerspruch von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung, die eben gesagt haben Leute, ihr könnt Müdigkeit nicht pathologisieren also nehmt bitte ein anderes Wort.  

00:53:59 Daniel Nicht: Es ist halt einfach Fatigue. 

00:54:02 Sara Mohr: Ja, warum sollen wir nicht Fatigue sagen auf Deutsch? Naja genau, sie haben offiziell schon mal den Titel widersprochen und dann ging das Drama weiter. Wie bei vielen anderen Leitlinien waren auch hier Patient*innenvertretungen beteiligt an der Entwicklung dieser Leitlinie. Unter anderem die Deutsche Gesellschaft ME/CFS. ME/CFS ist das chronische Fatigue Syndrom, also quasi Patient*innenvertretung, die selbst chronisch Fatigue Syndrom haben oder Angehörige auf jeden Fall Betroffene und die haben sich aus dem Leitlinien Prozess zurückgezogen und öffentlich Widerspruch und Kritik eingelegt gegen diese Leitlinie.  

00:54:49 Sarah Bühler: Okay, das hört sich ja interessant an. 

00:54:50 Daniel Nicht: Bin ich gespannt. 

00:54:53 Sara Mohr: Ich pack euch den Link zu der Homepage von denen da ist auch das offizielle Statement, in die Shownotes. Die offizielle Begründung lautet, dass die Leitlinie Behandlungsempfehlungen ausspricht, die nicht dem Stand der Forschung entsprechen. Also sagen quasi Leute diese Leitlinien, wo diese ganzen schlauen Leute hier mitarbeiten, das ist nicht evidenzbasiert was ihr da macht. Ihr nehmt da Sachen rein, die keine gute Forschung sind und sie beziehen sich vor allem dabei darauf, dass in der Leitlinie gesagt wird, das Aktivierungstherapie empfohlen wird. Also man soll den Leuten sagen kommt steh auf raus aus dem Bett, mach was schaff, was mach doch Sport, beweg dich und sie eben sagen das kann bei Betroffenen diese postexcertional malaise auslösen. Dass man eben nach einer Anstrengung für Tage bis Wochen so erschöpft ist, dass dann gar nichts mehr funktioniert. 

00:55:53 Sarah Bühler: Oh Mann. 

00:56:00 Sara Mohr: Außerdem kritisieren Sie dass in die Leitlinien… es gibt an der Berliner Charité eine Forschungsgruppe, das Fatigue Zentrum der Charité, das ist deutschlandweit das Fatigue Forschungszentrum und die wurden nicht einbezogen in die Leitlinien. Daniel, dein Gesichtsausdruck ist so schön. 

00:56:19 Daniel Nicht: Mir fällt gerade alles aus dem Gesicht. 

00:56:23 Sara Mohr: Also warum die nicht einbezogen wurden, das waren vielleicht interne, vielleicht  keine Zeit oder keine Kapazitäten oder so keine Ahnung. 

00:56:32 Daniel Nicht: Es gibt ja verschiedene Qualitäten von Leitlinien… 

00:56:39 Sara Mohr: Ja, das ist eine S3 Leitlinie, also eine Leitlinie der höchsten Qualitätsstufe. 

00:56:50 Sarah Bühler: Das kann doch nicht sein, das geht nicht. 

00:56:58 Sara Mohr: Diese Leitlinie ist von 2018 wenn ich richtig im Kopf habe, soll sie nächstes Jahr überarbeitet werden, weil dann ist sie 4 Jahre alt also, dann wird es langsam Zeit. Genau es ist trotzdem ganz interessant, diese Leitlinie sich anzugucken, weil was die gut gemacht haben, ist sie haben quasi den ganzen Widerspruch, den es gab, den haben sie auch in der Leitlinie drin. Also man kann in der Leitlinie das Statement lesen, von der Patientenvertretung. Man kann in der Leitlinie das Statement lesen von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung, da waren sie schon transparent, aber trotzdem haben sie halt diese Leitlinien so publiziert. 

00:57:33 Daniel Nicht: Also da, da kann man jetzt sagen ne also, dafür macht man sich ja alle 4 Jahre neu, damit man sich auch verbessern kann ne also das ist ja Sinn und Zweck, sich zu verbessern, da haben sie dann jetzt natürlich sehr viele Anreize. 

00:57:49 Sara Mohr: Ja, bin gespannt. 

00:57:51 Sarah Bühler: Und gut ist das ist ja auch schon ein Dokument, wo die Kritik festgehalten ist. 

00:57:56 Sara Mohr: Mhm genau das wird auch von dieser Patientenvertretung sehr offen kommuniziert, also das ist ganz interessant, sich das mal anzugucken, wie auch so ein Diskurs dann abläuft, das fand ich ganz spannend. Weil Forschung ist ja im Endeffekt ein Diskurs, also einer sagt meine Forschung hat ergeben so und so und jemand anders widerspricht und sagt Nee ist nicht eigentlich der Stand so und so und dann entwickelt sich hoffentlich etwas Neues. So, dann war ich natürlich aufmerksam geworden auf das Fatigue Zentrum von der Charité und habe mir das nochmal kurz angeguckt. Link kommt auch in die Show Notes. Was die machen ist die geben Ärzt*innen vor allem umfassende Informationen, also wenn man eben als Arzt oder als Ärztin mit einer Patientin konfrontiert ist, wo man denkt, das könnte Fatigue sein, gibt es da ganz gute Handlungsanweisungen. Wie kann ich das diagnostizieren, was muss ich ausschließen, um sagen zu können, das ist jetzt Fatigue? Ich habe mir das nicht im Detail angeguckt, weil ich bin kein Arzt, aber das wirkte sehr übersichtlich. Und die Charité selber verweist nicht auf die DEGAM Leitlinie. Die Charité selber verweist auf die europäische Leitlinie zu chronischer Fatigue. 

00:59:06 Sarah Bühler: Okay, das ist ja auch eine Aussage. 

00:59:09 Sara Mohr: Genau es gibt nämlich das EUROMENE, das ist das European Network on ME/CFS, also heißt myalgische Enzephalomyelitis oder halt das chronische Fatigue Syndrom. Da gibt es einen, ein Netzwerk, ein europäisches seit 2016 und die haben einen ganz großen Bericht veröffentlicht den habe ich mir oberflächlich angeguckt, auch dazu mache ich einfach einen Link in die Show Notes. Und die empfehlen eben nicht diese Aktivierungstherapie. Sondern die sagen, man soll die Menschen eher darüber beraten, was angemessene Ruhepausen sind und wie sie die Pausen in ihren Tagesablauf einbauen können. Also das was du gesagt hast Daniel ne individuell gucken, wie wie passt das zu meinen Klient*innen? Wie häufig und wie lange sind Pausen angemessen? Und sie sagen exzessive Ruhe kann kontraproduktiv sein, aber eben auch exzessive Anstrengung und es geht eben darum, eine Balance zu finden. 

01:00:08 Daniel Nicht: Ach cool, ja okay. Also quasi wirklich so dieses Selbstmanagement, ne was wir jetzt in der Studie besprochen haben, also wie manage ich mich selber, wie manage ich meine Phase von Aktivität und Ruhe? 

01:00:22 Sara Mohr: Genau genau und dann bin ich zum Schluss noch, das hat mir dann gereicht mit Science Drama und dann hab ich mich in den sozialen Medien umgeguckt, wem man denn folgen kann, der vielleicht… also ich mag es ja immer gerne, wenn wir in unserer Evidenz eben auch Patient*innen Perspektiven integrieren können. Und das ist jetzt aber nicht direkt Aufgabe unserer Klient*innen uns aufzuklären. Also wisst ihr, wie ich meine? Natürlich erzählen die uns über ihren Tagesablauf und was ihnen wichtig ist und ihre Werte und Wünsche und Perspektiven. Aber so generell ist es nicht ihre Aufgabe, uns jetzt zu informieren.  

01:01:02 Daniel Nicht: Auf gar keinen Fall. 

01:01:04 Sara Mohr: Und ich packe euch in die Show Notes noch 3 Instagram Profile, denen man da sehr gut folgen kann. Einmal hat die Österreichische Gesellschaft für chronische Fatigue ein sehr schönes Instagram Profil, wo sie ein bisschen darüber aufklären. Und dann gibt es noch eine Plattform von Betroffenen für Betroffene, deren Angehörige und medizinische Fachkräfte. Da dachte ich, die produzieren auch Infos für uns. Und dann gibt es noch Nina Glitterscreen. Die hat selbst ME/CFS und ist Journalistin und Aktivistin und informiert auch darüber, alles auf Instagram. Ja, ich finde es immer nett, wenn mir noch jemand mit hübschen Bildern und schönen Farben erklärt was es da draußen noch so alles gibt. 

01:02:03 Daniel Nicht: Ja, also ich, ich fand das Thema Fatigue einfach jetzt interessant, weil es mir einfach durch Covid auch viel mehr gekommen ist und das ist viel mehr Leute gibt, die es auch betrifft und dadurch einfach auch viel mehr Wahrscheinlichkeit ist, dass ich, dass wir alle als Ergotherapeut*innen diesem Krankheitsbild begegnen. Und dann wir einfach auch ein bisschen an der Hand haben was können wir wirklich tun? Ja, also richtig evident ist es nach der Studie, die ich vorgestellt habe, jetzt noch nicht ne also da muss noch mehr Forschung entstehen mal es weist uns ja schon mal auf so ein paar Sachen hin und die haben wir jetzt auch schon wieder gefunden. Ja und wichtig ist halt vielleicht nochmal zu berücksichtigen, dass das, was wir jetzt vorgestellt haben, quasi immer eine Komorbidität ist, also mit einer anderen Krankheit aufgetreten ist. Ich weiß nicht, ob das auch für Covid gilt… 

01:03:04 Sara Mohr: Ich denke bei Covid geht es eher um dieses chronische Fatigue Syndrom, das eben als Konsequenz von Virus Infektionen häufig auftritt, nicht nur bei Covid, sondern auch bei anderen Virusinfektionen. Das ist nochmal abzugrenzen von der chronischen Fatigue als Diagnose. Letztendlich ist es glaube ich, das Management, wie wir in der Ergotherapie mit den Leuten umgehen ähnlich. Vielleicht sammeln wir zum Schluss noch mal 3 Do’s, wenn ich jetzt morgen ne Klientin, einen Klienten mit Fatigue bei mir in der Praxis sitzen habe? 3 gute Tipps für die Praxis. 

01:03:51 Daniel Nicht: Also das Erste ist glaube ich zu gucken, wie ist das Energie Level, die Body Batterie. Also zu gucken wie viel Energie hat die Person zu welcher Zeit und das erstmal zu tracken.  Als allererstes Datenerhebung quasi mit der Klientin zu machen, wie die eigene Energie ist und danach zu gucken den Schritt 2 wie es weiter geht, dann würde ich dann wahrscheinlich eher sagen ne, wann sind die Phasen, wann lässt sich was ausprobieren? Betätigungsexperimente machen, sich nicht zu überfordern. Ja, und im dritten Schritt dann ein bisschen die Frage muss man eher dämpfen, ne will die Person zu viel und leidet dann unter zu langen Erschöpfungserscheinungen oder ist die Person zu erschöpft und braucht vielleicht ein bisschen mehr Aktivität, ne also wo muss ich sie unterstützen an welchem Ende? 

01:04:44 Sara Mohr: Sarah zweiter Tipp. 

01:04:45 Sarah Bühler: Mein Leitgedanke bei der Behandlung ist, glaub ich, klientenzentriert zu arbeiten. Weil nicht ich kann entscheiden, ob der Klient erschöpft ist oder müde ist oder wie die Batterie ist, sondern das kann nur der Klient, der ist Experte und ich kann höchstens anleiten, oder Tipps geben, Fragen stellen aber nur den Weg zeigen, aber gehen muss er ihn dann doch selbst. 

01:05:17 Sara Mohr: Ja, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Ich würde dann glaube ich, als drittes Do noch ergänzen. Und das geht, glaub ich erst, wenn diese beiden ersten Punkte stabil sind, aber dann zu sagen oder den Klienten auch, oder die Klientin zu befähigen die eigene Situation nach außen kommunizieren zu können und sich gegenüber der Umwelt abgrenzen zu können, wenn zu große Erwartungen gestellt werden und für sich selbst zu sorgen. Das geht auch nochmal ein bisschen, das ist aber auch nicht nur die Aufgabe der Klienten, sondern das ist unsere Aufgabe. Als Ergotherapeutin das auch so zu kommunizieren. Oder dass dieses Stigma einfach verringert wird und eben zu kommunizieren das ist eine Erkrankung. Das sind nicht Leute, die die faul sind oder die einfach sich drücken wollen oder keine Ahnung, sondern es ist eine Erkrankung und wir als Ergotherapeutinnen haben die Kompetenzen, da Dinge zu verändern und zwar nicht nur beim Individuum, sondern vielleicht auch ein bisschen in der Umwelt. Das wäre so schön. 

01:06:23 Daniel Nicht: Das stimmt, ich hab gerade nochmal kurz nachgedacht welche Body Batterie jetzt im Kopf hatte. Ja, meine Uhr hat eine Body Batterie, die immer misst wieviel atme ich? Wieviel Blutdruck hab ich, Puls, was auch immer Sauerstoff Sättigung…, ich hab so ne Sportler Uhr und die sagt mir auch was meine Body Batterie ist und da bin ich draufgekommen. 

01:06:51 Sara Mohr: Aberentspricht es dann deinem Energie Level oder was drückt die Body Batterie aus oder einfach wie sehr du gerade Sport gemacht hast? 

01:06:56 Daniel Nicht: Ich glaube Energie, oder mehr oder weniger wie leistungsbereit mein Körper ist, glaub ich. Ach und das wechselt auch aber. Ob die Uhr Recht hat oder nicht, da kann ich dir überhaupt nichts zu sagen. 

01:07:33 Sarah Bühler: Meine Body Batterie sagt jetzt das fertig ist für heute. 

01:07:40 Sara Mohr: Das stimmt, wir haben ja heute einen Zeitverschiebungspodcast, bei euch ist ja abends und bei mir ist es morgens ja, aber du hast recht, wir hören auf unsere Body Batterien. Ich danke dir Daniel für diese Information. Und wenn ihr da draußen liebe Zuhörende uns gerne Feedback geben möchtet, wenn ihr Fragen habt, wenn ihr Studien habt, die wir uns angucken sollen, dann schreibt uns eine E-Mail, schickt uns eine Nachricht bei Instagram, bei Twitter, bei Facebook, und wir freuen uns, wenn wir von euch hören wir hören uns auf jeden Fall wieder bei der nächsten Folge Evidenz auf die Ohren. 

01:08:24 Sarah Bühler: Ich freue mich bis dann. 

01:08:25 Daniel Nicht: Ciao. 

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