#13 - Was sagt die Forschung zu persistierenden frühkindlichen Reflexen?

Persistierende frühkindliche Reflexe, Restreaktionen, Bewegungsmuster… es gibt viele Namen für ein Phänomen, welches scheinbar auch für ganz viele Einschränkungen bei unserer pädiatrischen Klientel verantwortlich ist. Aber was sagt eigentlich die ergotherapeutische Forschung dazu? Mythos? Neurologische Schädigung? Oder doch was ganz anderes?
Wir schauen gemeinsam was Studien und Leitlinien zu frühkindlichen Reflexen zu sagen haben und was das Ganze eigentlich mit Ergotherapie zu tun hat. Dazu gibt es einen tollen Audiokommentar von einer Hörerin.
 

Geschichten aus dem Alltag: Sarah hat ein Aal-Problem und Daniel und Sara schwärmen – ganz ergotherapeutisch 😉 – von textilem Gestalten.

Lust auf mehr Evidenz für dein Team?

    • Wir danken Evelyn ganz herzlich für ihren Audiokommentar! Ihr findet ihr Instagram-Profil hier, lasst doch mal liebe Grüße da 🙂

 

Und die Studien dieser Folge sind:

Feldhacker, D., Cosgrove, R., Feiten, B., Schmidt, K., & Stewart, M. (2021). Relationship between retained primitive reflexes and scholastic performance. The American Journal of Occupational Therapy, 75(Supplement_2), 7512505164p1-7512505164p1.

McWhirter, K., Steel, A., & Adams, J. (2022). The association between learning disorders, motor function, and primitive reflexes in pre-school children: A systematic review. Journal of Child Health Care, 136749352211141. 
 
Zu allen erwähnten Leitlinien geht es bei der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF).

Intro: Hintergrundmusik, die sich langsam steigert. Eine Stimme sagt: Evidenz auf die Ohren, der Podcast für evidenzbasierte Ergotherapie. 

00:00:23 Sara Mohr: Hallo und herzlich Willkommen zu einer neuen Folge Evidenz auf die Ohren! Heute von und mit Sarah Bühler.

Sarah Bühler: Hi!

Sara Mohr: Daniel Nicht.

Daniel Nicht: Hallo!

Sara Mohr: Und mein Name ist Sara Mohr, guten Tag! 

00:00:39 Daniel Nicht: Herzlich Willkommen! Wir starten heute ganz gezielt in den Podcast, wir können ja einfach mit den Geschichten aus dem Alltag starten. Ich habe gehört Sarah, Du hast eine mitgebracht. 

00:00:56 Sara Mohr: Sarah hat eben schon angeteasert vor der Aufnahme bitte erzähl. 

00:01:00 Sarah Bühler: Ich hab letztens ja schon von Polly erzählt.

00:01:15 Sara Mohr: Stimmt, dass Polly Rettungshund für Wasserleichen wird. 

00:01:18 Sarah Bühler: Genau, und jetzt haben wir sie auf den Geruch konditioniert und sie findet jetzt auch alles. Tote Fische und Aale, wenn wir am See sind. Ja, und ich weiß noch nicht, wie ich das finde. Sie muss noch lernen, das nicht zu bringen, sondern anzuzeigen nur. 

00:01:40 Sara Mohr: Oh oh okay also momentan bringt sie das und möchte dafür belohnt werden?

00:01:44 Sarah Bühler: Mhm ja, sie möchte gern tauschen. 

00:01:56 Sara Mohr: Also sie findet das im Wasser oder an Land? 

00:02:01 Sarah Bühler: Also, der war jetzt so halb an Land geschwemmt. Wir haben am Wochenende gecampt, am Schnee. Und morgens hab ich die Bustür aufgemacht und dachte ach voll schön, jetzt geh ich mit ihr runter ans Wasser und das wird total cool und dieser Hund ist wie eine Rakete aus dem Bus geschossen. 

00:02:22 Sara Mohr: Hat die ganze Nacht schon das gerochen wahrscheinlich und Pläne gemacht, wie sie das findet? (lacht)

00:02:28 Sarah Bühler: Ja, auf jeden Fall hat sie mir dann relativ zügig den Aal gebracht. Ich konnte ohne Kaffee damit so gar nicht umgehen (lacht). 

00:02:41 Sara Mohr: Was hast du gemacht? 

00:02:44 Sarah Bühler: Was hab ich gemacht? Ich hab „Aus“ gebrüllt, weil ich es eklig fand, ich wollte das nicht anfassen, weißt du wenn die das dann so schleudert und du dabei stehst, aber es war einfach ekelhaft. Ich bin froh, dass…

00:03:01 Sara Mohr: Jetzt bin ich gespannt, was du Positives darin findest. 

00:03:06 Daniel Nicht: Hey, der Hund findet ja, was er finden soll oder nicht? Also das ist doch erstmal eine super Sache also er hat‘s verstanden? 

00:03:12 Sarah Bühler: Genau, ich hatte gestern den ersten nachgestellten Sucheinsatz und sie hat tatsächlich angezeigt. Und ich hab da die Daten schlecht ausgewertet, sodass wir die Prüfung nicht bestanden hätten, aber der Hund hat im Radius angezeigt! Aber ich sollte dann gucken, wie die Strömung war und den Wind und dann abschätzen, wie weit ich halt dann den Punkt davon wegsetze. Also vielleicht muss ich erstmal ausholen: Man hat einen GPS-Gerät und dann fährt man den See nach einer bestimmten Einsatztaktik ab und immer wenn der Hund anzeigt, markiert man mit dem GPS. Und dann hat man später halt verschiedene Punkte und du musst halt berücksichtigen, von wo der Wind kommt, wie die Wasserströmung ist und je nachdem musst du dann abschätzen. Wie weit ist dann der Köder weg? 

00:04:06 Sara Mohr: Das ist aber sehr komplex. 

00:04:07 Sarah Bühler: Total und ich hatte ja noch nicht die Unterweisung im Wind und Strömung und so und ich dachte halt ach war schon windig so wir setzen mal 40 Meter weiter weg, wie der Hund angezeigt hat und tatsächlich war sie 10 Meter genau dran. 

00:04:22 Sara Mohr: Ach krass. 

00:04:23 Sarah Bühler: Ja, genau und für die Prüfungen darf man im Radius von 50 Metern. 

00:04:30 Sara Mohr: Also hättest du nicht verkackt hättet ihr schon die Prüfung bestanden? (lacht)

00:04:34 Sarah Bühler: Hätten wir ja in dem Fall ja, also der Hund kann es, ich kann es noch nicht. 

00:04:41 Sara Mohr: Aber ihr habt ja auch noch so ein Kurs wo ihr das dann so lernt ne?

00:04:45 Sarah Bühler: Ja, das ist eine dreijährige Ausbildung und wir haben das jetzt das fünfte oder sechste Mal gemacht auf dem Boot. Und sonst machen wir jetzt halt viel an Land, erstmal Training und ab nächster Woche in Ufernähe und das kann ich ja dann auch ohne Boot machen, weil fürs Boot brauche ich ja immer jemanden, der mich raus fährt mit dem Boot. Ja, das war eine lange Geschichte aus dem Alltag. 

00:05:08 Sara Mohr: Nein, das war total schön. Es freut mich, dass Polly da so engagiert bei der Sache ist. Sehr schön, Daniel hast du eine Geschichte aus dem Alltag dabei?

00:05:20 Daniel Nicht: Ich krame gerade noch so ein bisschen. Aber ich glaube, ich habe meine Geschichte gefunden, und zwar ich bin mehr oder weniger annektierter Onkel also, ich bin nicht leiblicher Onkel ne, also nicht familiärer Onkel oder sowas sondern Freunde der Familie haben mich quasi für ihr Kind als Onkel annektiert. Und ich dachte mir halt, was kann ich ihr denn schenken? Ne? Sie hat bald irgendwann Geburtstag und hab dann bei mir zu Hause noch Wolle gefunden. Und was habe ich seit der Ergo-Ausbildung nicht mehr gemacht? Stricken! 

00:06:02 Sara Mohr: Ihr habt in der Ausbildung gestrickt? 

00:06:04 Daniel Nicht: Ich glaube, wir hatten mal irgendwie so einen Crashkurs Nähen und Stricken, glaub ich. Textiles Gestalten hieß das, also bei uns war es in der Ausbildung so aufgegliedert, dass irgendwie 3 Gruppen gebildet wurden. Jeder hat sich einen kreativen Inhalt quasi angeeignet und den dann allen anderen beigebracht. Dann ist das halt sofort damit verknüpft, dass du lernst, wie du das anderen beibringst oder wie du sie anleitest, das fand ich sehr schlau gelöst und damit liegt der Schwerpunkt halt nicht mehr so viel auf dem Kreativen, sondern vielmehr auf dem Vermitteln von Informationen. Aber bei 30 Grad ist mir nichts Besseres eingefallen, als einen Schal zu stricken. (lacht) Das hat bei den ersten 3 Anläufen auch kategorisch nicht geklappt.

00:06:58 Sara Mohr: Oh nein. 

00:06:59 Daniel Nicht: War dann irgendwann froh, rechte und rechte und linke Maschen hinzukriegen und hab entweder also eine Seite komplett rechts, einige Seite komplett links, das hat dann zur Folge gehabt, dass das Ganze sich natürlich rollt. Ich hab den hier liegen.

00:07:13 Sara Mohr: Aber er hat Regenbogenfarben! Voll die schöne Wolle!

00:07:17 Daniel Nicht: Ja, genau und weil es sich gerollt hat und weil man es halt nicht als Schal benutzen kann, habe ich dann halt als Loop gemacht, den kriegt sie dann geschenkt. 

00:07:28 Sarah Bühler: Man kann auch total toll, ne Schlange draus machen? 

00:07:30 Sara Mohr: Zum Spielen meinst du? Aber ich find den Loop Schal sehr schön. Kann ich auch einen ordern?

00:07:38 Daniel Nicht: In den Regenbogenfarben?

00:07:41 Sara Mohr: Auf jeden Fall in Regenbogenfarben. Klar also wenn ich nächstes Jahr wieder nach Deutschland komme, werde ich wahrscheinlich ununterbrochen Schal tragen müssen, weil ich mit Kälte nicht mehr zurecht komme. 

00:07:42 Daniel Nicht: Ja, okay, dann können wir drüber reden.  Okay, ich kann jetzt glaub ich auch links links, rechts rechts; könnte klappen. Was mir aber dabei aufgefallen ist…

00:07:56 Sara Mohr: Ich weiß nicht, was das bedeutet, aber es klingt toll (lacht).

00:07:59 Daniel Nicht: Maschen, also ein normaler Schal ist ja immer so ein bisschen gewellt also du hast immer so ein Muster da drinnen…

00:08:07 Sara Mohr: ich kann nur häkeln, Daniel, häkeln. 

00:08:10 Daniel Nicht: Aber worauf ich hinaus wollte, ist, dass ich das total beruhigend fand. Es war in der Zeit, wo ich halt auch nebenher noch ein paar andere offene Themen hatte, die entweder frustrierend waren oder halt einfach anstrengend und dieses ganz basale sich hinsetzen und einfach mal 20 Minuten runterstricken war schon fast meditativ.

00:08:34 Sara Mohr: Cool da weiß man, warum die Oma das immer macht. 

00:08:39 Daniel Nicht: Mit jeder Masche hattest du Mini kleines Erfolgserlebnis. 

00:08:43 Sarah Bühler: Warst du etwa im Flow? 

00:08:46 Daniel Nicht: Ja, ich glaube, ich habe mir weil es an anderen Stellen keinen Flow gab, mal bisschen Flow geholt und danach das Ganze zur Seite gelegt und andere Sachen gemacht, ne? 

00:08:56 Sara Mohr: War der Challenge hoch genug? Sehr gut.

00:09:00 Daniel Nicht: Und es war wirklich cool, weil ich mir das wieder selber beigebracht habe. Also, ich hab nur einmal ein ganz kleines Youtube Video über linke Maschen geguckt und das hat auch nur irgendwie eine Minute gedauert und dann ging der Rest von alleine. Da war ich auch ein bisschen stolz. 

00:09:15 Sara Mohr: Sehr schön, das ist cool. 

00:09:18 Sarah Bühler: Ja, was gibt es bei dir neues Sara? 

00:09:21 Sara Mohr: Ich überlege gerade, jetzt denke ich über Handarbeiten nach, wie gesagt ich häkel ja nur, aber ich häkel total gerne eben, weil es mich so beruhigt. Vielleicht erzähle ich einfach weiter über Handarbeiten, weil ich sonst gerade nichts spannendes hab. Weil ich habe als Kind immer, wenn ich krank war… meine Oma, hat mir mal häkeln beigebracht, aber nur diese einfachen Maschen, weiß auch nicht, wie das alles heißt. Aber du kannst ganz viele verschiedene Maschen machen in verschiedenen Höhen und Formen. Ja, aber als Kind konnte ich halt wirklich nur diese Basics, was halt dann reicht, um Topflappen zu häkeln quasi also hab ich immer, wenn ich krank war – und ich war als Kind viel krank – da hab ich zu Hause gesessen hab Hörkassetten gehört also so Hörspiele auf Kassetten und hab riesen große Topflappen gehäkelt. Die lagen dann unter meinem Bett und wenn ich das nächste Mal krank war habe ich sie wieder aufgerippelt und wieder gehäkelt. Es ging also überhaupt nicht um das Produkt. Es war schön, dass meine Hände was zu tun hatten. 

00:10:24 Daniel Nicht: Ich hab als Kind auch Hörspiele gehört! 

00:10:29 Sara Mohr: Ja, totales Hörspiel Kind, immer zum Einschlafen Hörspiel. Ich kann wahrscheinlich heute noch im Dunkeln bei einem Kassettenrekorder auf Stop, Eject, Kassette umdrehen, rein, Play innerhalb von 2 Sekunden hantieren. 

00:10:48 Daniel Nicht: Also bei mir war es ähnlich. 

00:10:49 Sarah Bühler: Ja, ich hab meine Kassetten noch. 

00:10:52 Daniel Nicht: Ja nee, ich glaube, ich hab meine nicht mehr. Was ich ein bisschen schade finde, weil ich hatte Harry Potter auf Kassette 1 – 4.

00:11:02 Sarah Bühler: Da war ich noch zu klein. 

00:11:09 Sara Mohr: Ich war bei Harry Potter Kassetten eigentlich schon zu groß. Ich hatte tatsächlich also ganz früher so Bibi Blocksberg gehört und so. 

00:11:22 Sarah Bühler: Oh, ich war süchtig. Ich hab alle Kassetten bis zu einer bestimmten Nummer alle. 

00:11:25 Sara Mohr: Ach gezielt gesammelt hab ich das nicht. 

00:11:32 Sarah Bühler: Ich hab die gesammelt. 

00:11:34 Sara Mohr: Krass. Meine Mama sagt immer, sie hat heute noch Albträume von dem Geräusch, das der Besen macht. Das war so ein hohes surrendes Geräusch und das findet meine Mutter ein ganz unangenehmes Geräusch, aber da kannst du deinem Kind halt auch nicht wegnehmen dann, das sagt sie heute noch da bekommt sie Gänsehaut, wenn sie nur daran denkt (lacht). 

00:11:56 Daniel Nicht: Harry Potter hab ich rauf und runter gehört und meine Eltern haben mir den Hobbit aufgenommen. Also mein Vater hat mir damals, weil das im Radio kam, also das Hörspiel wurde irgendwie im Radio übertragen zu bestimmten Zeiten und der hat das auf Kassette aufgenommen. Deswegen hatte ich das relativ früh auf Kassette und ich habe das rauf und runter gehört. Also den Hobbit kann ich heute noch auswendig beten.

00:12:25 Sara Mohr: Ja, man kann die Sachen dann auswendig, ne, das ist echt krass, wie sich das einprägt vom immer wieder hören. Ich habe ganz viele so alte Märchen Hörkassetten gehabt, die teilweise auch ein bisschen gruselig waren und ich weiß nicht wie sehr kindgerecht, aber die waren halt da. Zwerg Nase hatte ich, das weiß ich noch, so ein fürchterliches Märchen. Hey, kennt ihr das? Da erkennt ihn seine eigene Mutter nicht mehr, weil er von einer Hexe verhext wurde und schickt ihn dann weg. Ganz traumatisch ich weiß nicht, Märchen sind so krass, ne? 

00:12:56 Daniel Nicht: Teilweise ja. 

00:13:00 Sara Mohr: Ist nicht ok eigentlich, muss mit meiner Mutter vielleicht nochmal reden (lacht). Liebe Leute das war meine sehr unkoordinierte Geschichte aus dem Alltag. Ich würde vorschlagen, wir starten mit dem Thema. 

00:13:18 Sarah Bühler: Total gerne. 

00:13:18 Sara Mohr: Wir haben nämlich heute ein großes Thema vor. Sarah und ich haben uns intensiv vorbereitet und wir haben uns sogar diesmal noch Verstärkung außer Daniel geholt.

00:13:32 Daniel Nicht: Jetzt bin ich überrascht. 

00:13:34 Sara Mohr: Ja, nee, weißt du gar nicht? 

00:13:38 Daniel Nicht: Ja, das ist hier halt alles true.

00:13:42 Sara Mohr: Da ist nichts geskriptet, obwohl ich ein Skript habe. Wir wollten über Reflexintegration sprechen, einmal, weil wir das Thema selber total spannend finden und weil wir jetzt schon von mehreren Leuten eine Anfrage bekommen haben, ob wir dazu nicht mal was machen wollen. Unter anderem von Katharina, die hat uns eine ganz liebe Email geschrieben lustigerweise, als wir schon entschieden hatten, dass wir das Thema machen hat 3 Tage später Katharina geschrieben und gesagt Hey, ich find das voll spannend wollt ihr dazu nicht mal was machen? Dazu konnten wir direkt sagen „schon in Planung“. Genau Sarah, magst du vielleicht kurz erzählen, wie dir das in der Praxis so begegnet? Das Thema Reflexintegration. 

00:14:31 Sarah Bühler: Also es begegnet mir pro Jahr im Schnitt 4-5 mal, dass ich gezielt Anrufe kriege, die danach fragen, ob ich frühkindliche Reflexe integriere, die werden dann von einem Institut oder von Heilpädagog*innen geschickt und bitten, dass die Ergotherapeut*innen Reflexintegration machen. Und teilweise sind das manchmal auch Klient*innen, die schon länger kommen, mit Diagnosen wie Autismus oder ADHS. Und das finde ich immer ein bisschen schwierig. Oft wird das so verkauft, dass eine Reflexintegration alle Probleme löst. 

00:15:26 Sara Mohr: Hm, den Autismus beseitigt, oder? 

00:15:28 Sarah Bühler: Den Autismus beseitigt genau und Eltern kommen dann mit total viel Hoffnung und sagen das müssen sie jetzt machen, das sollen sie anschauen, das hilft meinem Kind. 

00:15:42 Sara Mohr: Vor ungefähr einem Jahr oder so hatten wir dieses Gespräch schon mal, wo du gerade akut so einen Fall hattest und wir beide haben überlegt, ob wir dann nicht mal eine Fortbildung dazu machen, weil scheinbar ist es super wichtig. 

00:15:53 Sarah Bühler: Ja, und dann schaut man und liest in irgendwelchen Foren oder auch auf Facebook und dann sieht man jeder scheint das irgendwie zu machen. Und dann fragt man sich ja ist das so ein Ding? 

00:16:08 Sara Mohr: Ich habe überlegt, wo mir Reflexintegration zum ersten Mal begegnet ist und ich arbeite ja nicht so viel in der Pädiatrie, aber ich erinnere mich an meine allererste Stelle, als ich noch eine ganz, ganz kleine Baby-Ergotherapeutin war, mein Chef hatte sich auf die Pädiatrie spezialisiert und er hatte eine SI-Fortbildung und die ganzen Sachen und der hat auch immer von Reflexintegration gesprochen und deshalb war das für mich von Anfang an klar, das ist was ganz Grundlegendes in der Pädiatrie, das ist so ein Basic irgendwie, aber weil ich dann nie in das Fachgebiet rein bin, hab ich mich dann nie weiter mit auseinandergesetzt und hab mir eigentlich auch nie die Frage gestellt, was das eigentlich ist und wie es funktioniert und warum es wichtig sein könnte. Aber diese Fragen stellen wir uns jetzt. Daniel guckt ganz kritisch. 

00:17:03 Daniel Nicht: Also ich war ja auch das Thema überhaupt nicht vorbereitet. Und stolpere hier gerade ein bisschen rein in ein pädiatrisches Thema, was ich seit 5, 6 Jahren – wenn überhaupt – das letzte Mal gehört habe. Deswegen musste ich mich mal kurz zurückziehen und werfe mal kurz Doktor Google an und meine Skepsis wächst. 

00:17:35 Sara Mohr: Ja, ich kann deine Skepsis verstehen und das Thema kam jetzt akut auch für mich wieder, aber wie gesagt, ich bin ja auch keine Pädiatrie-Expert*in aber das Thema kam für mich akut wieder auf, weil vor ein paar Wochen auf Instagram – meine Welt besteht zu viel aus Instagram – ein ganz tolles Profil von der lieben Evelyn, die ist auch Ergotherapeutin und die hat einfach mal in ihrer Story gefragt sagt mal Leute, was ist das eigentlich mit dieser Reflexintegration? Sie hat das richtig toll gemacht, sehr respektvoll, weil ich bei so Themen auch immer Angst habe, dass man Leuten auf die Füße tritt.

00:18:15 Sarah Bühler: Ja, das sind ja teilweise auch Leute, die viel Geld in diese Ausbildung gesteckt haben. 

00:18:20 Sara Mohr: Ja genau und dann willst du das ja auch niemandem wegnehmen oder so und Evelyn hat halt einfach gefragt kann mir jemand erklären was ist der ursächliche Mechanismus? Was ist das Problem, wenn Reflexe nicht integriert sind und hat es jemand in der Praxis tatsächlich schon mal erlebt, dass Reflexe integriert wurden und dann hat sich zum Beispiel ein Konzentrationsproblem gelöst? Oder was auch immer dann gesagt wird, wofür es hilft. Und die Evelyn hat uns auch einen Audiokommentar zukommen lassen. Für diese Folge und den spielen wir hier einfach mal rein. 

00:19:03 Evelyn’s Audiokommentar:

Hallo Sara und Sarah, herzlichen Dank, dass ich einen kleinen Kommentar für Euren heutigen Podcast zum Thema Integration frühkindlicher Reflexe beitragen darf. Ich möchte mich vorher kurz vorstellen: Ich heiße Evelyn, bin Ergotherapeutin und auf Instagram unter ErgotherapeutinEvelyn inaktiv. Mir ist in den letzten Monaten verstärkt aufgefallen, dass auf vielen Accounts die Reflexintegration beworben wird und fast als Allheilmittel angepriesen wird. Da ich eigentlich immer auf der Suche danach bin, welche Fortbildungen sich lohnen und evidenzbasiert sind, wollte ich mir das genauer ansehen. Wäre ja zu schön, wenn man mit einfachen, regelmäßigen, bestimmten Bewegungen, Reflexe bzw. Restreaktionen frühkindlicher Reflexe integrieren könnte und dadurch auch bei umfassenden Diagnosen wie ADHS, Legasthenie etc. deutliche Besserungen sichtbar wären. Grundsätzlich stellt sich für mich die Frage: Gibt es bei Kindern, die jetzt keine schwere neurologische Erkrankung haben, überhaupt nicht integrierte Reflexe? Daher habe ich anfangs etwas recherchiert, aber auf unabhängigen Seiten so gut wie nichts gefunden. In Studien, die in der Datenbank des DVE einsehbar sind, habe ich nichts gefunden und auch in den Leitlinien konnte ich nichts finden. Auf Instagram habe ich in Stories zu mehr Infos insbesondere zu Studien und eigenen Erfahrungen aufgerufen. Besonders interessiert hat mich, ob es jemand der Anwender der Reflexintegration erlebt hat, dass durch die Therapie zum Beispiel einen Nachteilsausgleich aufgehoben werden konnte oder bei ADHS zum Beispiel Medikamente reduziert oder abgesetzt werden konnten. Dazu habe ich leider keine Berichte erhalten. Auch die Befundung hätte mich interessiert. Da bekam ich leider nur eine Rückmeldung, dass dies mit kinesiologischen Tests gemacht wird. Ansonsten habe ich eine Menge Studien zugeschickt bekommen. Fast alle waren vom INPP, den deutschen Ableger des Instituts, die die Reflexintegration hier etabliert haben. Die restlichen von Sieber und Paasch, ebenfalls ein Institut zur Reflexintegration oder ähnliche Institutionen. Am Ende haben mich diese Studien leider nicht überzeugt und ich bezeichne diese Therapieform für mich eher als die Homöopathie der Ergotherapie. Was den Austausch auf Instagram betrifft, hatte ich ja anfangs einen Shitstorm befürchtet. Ich bekam aber durchweg sehr konstruktive und positive Rückmeldungen daher ein dickes Danke an alle, die mich bei meinen Fragen unterstützt haben, und jetzt bin ich echt mega gespannt auf Eure Recherche und den Podcast. 

00:21:39 Sara Mohr: So viel von der Lieben Evelyn, wer ihr noch nicht folgt, tue dies bitte auf Instagram, ganz tolles Profil. Genau Evelyn hat ihre Recherche gemacht und hat ihre Einschätzungen getroffen zu der Thematik. Wir gucken mal, was unsere Recherche ergibt und ob wir zu einer anderen Einschätzung kommen oder zur selben. Wollen wir vielleicht zuerst mal nochmal sagen, worüber wir hier sprechen? Wollen wir kurz das Thema noch einmal definieren was sind denn diese frühkindlichen Reflexe? Erstmal gucken, was ein Reflex ist, also ein Reflex ist ein unwillkürliches und schnelles und immer gleiches Bewegungsmuster, das durch einen äußeren Reiz ausgelöst wird, also zum Beispiel der Lidschlussreflex ne, wenn dir was schnell aufs Auge zu fliegt, hat dein Auge einen Reflex, dass dein Lid sich schließt. Häufig sind Reflexe auch Schutzreflexe. Das sieht man ganz gut beim Lidschlussreflex, der dafür sorgt, dass dein Auge nicht verletzt wird durch irgendeine äußere Einwirkung. Das heißt, die haben eine wichtige Funktion, den Körper zu schützen. Und deshalb sind sie auch immer so gleichartig. Und wir können die nicht willkürlich steuern. Reflexe laufen ohne Beteiligung des Großhirns ab. Wir können nicht beeinflussen, wenn was schnell auf dein Auge zu fliegt kannst du nicht willentlich sagen jetzt will ich aber nicht blinzeln es geht nicht, du blinzelst. Du kannst sie nicht beeinflussen. Und weil gerade Säuglinge und Kinder vor dem ersten Lebensalter in den ersten 12 Lebensmonaten natürlich noch besonders…

00:23:25 Sarah Bühler: schutzbedürftig sind. 

00:23:26 Sara Mohr: haben vor allem Säuglinge in den ersten Lebenswochen und -monaten noch viel mehr Reflexe, die dann im Laufe ungefähr des ersten Lebensjahres verschwinden, weil das Hirn weiter reift. Ein frühkindlicher Reflex ist zum Beispiel der Greifreflex ne, wenn man kleinen Babys einen Finger in die Hand legt, greifen die zu. Das ist ein Reflex, da wird vermutet, dass der super nützlich ist, damit Kinder überhaupt greifen lernen. Das heißt, erstmal haben die diesen Reflex oder auch um sich festhalten zu können als Schutzreflex. Und im Laufe der Zeit, sind Kinder eben auch in der Lage, obwohl in Input in der Handfläche ist, wieder loszulassen, also die Finger zu extendieren und diesen Reflex zu zu hemmen oder zu überwinden. Das ist quasi die Reflexintegration, wenn wir die so nennen wollen, die ganz natürlich passiert, bei allen Kindern im Laufe des ersten Lebensjahres. Ich als Neuro-Therapeutin kenne das Wiederauftreten von Reflexen oder dass Reflexe über das erste Lebensjahr hinaus bestehen nur von meinen Klient*innen, die eine schwere Schädigung des Gehirns haben. Ne also es gibt die sogenannten Pyramidenbahnzeichen, wenn du eine Hirnschädigung hast, dann ist zum Beispiel der Babinski Reflex wieder aktiv. Wenn man am Fuß von der Ferse zum kleinen Zeh entlang streicht, im Finger oder mit einem Stab, dann zieht die Großzehe nach oben und die anderen Zehen ziehen nach unten und zur Seite. Dieser Reflex ist bei Kindern innerhalb des ersten Lebensjahres da. Dann wird er irgendwann integriert. Die Kinder lernen ja auch laufen. Da wäre das blöd, wenn der Reflex noch da wäre. Und man sieht es aber bei Erwachsenen nach einer schweren Hirnschädigung ist er wieder auslösbar eben, weil diese Hemmung durch das Großhirn dann nicht mehr funktioniert, weil da ein Schaden besteht. Man weiß auch zum Beispiel bei Menschen mit einer schweren Demenz, also mit einer diffusen Schädigung im Gehirn, können auch solche kindlichen Reflexe wieder auftreten eben weil wir eine Hirnschädigung haben. Und das war so mein erster Gedanke oh Gott, wenn die jetzt davon sprechen, dass die da Kinder haben 5, 6, 7, 8-jährige Kinder, bei denen so Reflexe aktiv sind, dann müssen die ja ne Hirnschädigung haben, wo sollen diese Reflexe sonst herkommen? 

00:26:20 Sarah Bühler: Mhm, das war auch was meine Freund*innen, die Ärzt*innen sind dazu sagen: Oh Gott, da muss ein MRT gemacht werden, da muss geguckt werden, direkt gucken. 

00:26:37 Sara Mohr: Da musst du zur/zum Neurolog*in. Ich hab auch einen befreundeten Arzt gefragt, tatsächlich jetzt kein Pädiater, aber Arzt und habe gesagt was würdest du machen, wenn du in einem ergotherapeutischen Bericht lesen würdest, dass ein Kind persistierende frühkindliche Reflexe zeigt? Und dann meint er: Ja, gut, Hirnschaden, also schön, dass die Ergotherapeutin das so ganz ohne Bildgebung diagnostizieren kann, aber Hirnschaden.

00:27:06 Daniel Nicht: Hahahaha klare Ansage. 

00:27:10 Sara Mohr: Klare Ansage. Deshalb gibt es neben dem Ausdruck frühkindliche Reflexe auch noch das Argument, dass man es gar nicht unbedingt Reflex nennen sollte? Ne Sarah, du hast da auch was zu gelernt? 

00:27:30 Sarah Bühler: Genau, sondern häufig wird von frühkindlichen, Bewegungsmustern gesprochen. 

00:27:36 Sara Mohr: Einfach um zu vermeiden, dass man denkt, das Kind hätte jetzt eine zentrale Schädigung? 

00:27:40 Sarah Bühler: Genau, um das ein Stück weit abzuschwächen und dann auch von einer Reizüberlagerung zu sprechen. 

00:27:49 Sara Mohr: Okay, aber gemeint ist schon dasselbe?

00:27:53 Sarah Bühler: Mir konnte bis jetzt niemand den Unterschied erklären. Aber es wird häufig gebeten, dass man eben von frühkindlichen oder persistierenden Bewegungsmuster spricht.

00:28:06 Sara Mohr: Genau das sind die Ausdrücke, die ich jetzt gehört habe. Frühkindliche Reflexe, persistierende frühkindliche Reflexe, frühkindliche persistierende Bewegungsmuster. Dann habe ich noch den Ausdruck Restreaktionen gelesen. Soll ich euch erzählen, wie meine Recherche aussah zu dem Thema?

00:28:29 Daniel Nicht: Sehr gerne. Ich habe jetzt selber nochmal geguckt und ich bin jetzt mal auf der Seite des INPP Verbandes gelandet und versuch jetzt nebenher auch nochmal mich so ein bisschen darüber schlau zu machen, so on the fly. 

00:28:48 Sara Mohr: On the fly (lacht). 

00:28:51 Daniel Nicht: Das war jetzt meine erste Idee, erstmal bei denen zu gucken. 

00:28:56 Sara Mohr: Ja, das war auch mein erster Schritt, ich habe das erst mal gegoogelt und habe dann allerdings leider keine unabhängigen Seiten gefunden, wie Evelyn auch erzählt. Also es gibt Seiten von Instituten jo und und wenn ich das halt verkaufe, dann werde ich nicht sagen ja wirkt nicht, also ich wollte schon beide Seiten hören. 

00:29:05 Sarah Bühler: Ging mir ähnlich. 

00:29:15 Sara Mohr: Weil ich mal unterstellt habe, dass es da 2 Seiten gibt und ich hätte halt gerne, also mir ging es wirklich darum… Die den Neuro-Ergo halt…. Mir ging es nicht um das Kind (lacht), mir ging es darum, zu verstehen, was da neurologisch passiert. Ich wollte verstehen was ist denn die Theorie dahinter, wieso diese Reflexe nicht integriert werden, also nicht innerhalb des ersten Lebensjahres verschwinden? 

00:29:37 Sarah Bühler: Und hast du was gefunden? 

00:29:39 Sara Mohr: So das erste, was ich gemacht habe: ich hab auf Pubmed nach Studien gesucht und keine gefunden, aber gar keine und dann dachte ich habe einfach nicht die richtigen Begriffe genutzt. Im englischen sagt man primitive reflexes für frühkindliche Reflexe, aber dazu habe ich wirklich was gefunden, wenn, dann waren das irgendwelche Reflextests bei Ratten, dachte ich das ist jetzt vielleicht nicht so übertragbar. Also der nächste Schritt geht immer zu den Leitlinien und hab geguckt ok wird denn irgendwas zur Reflexintegration in irgendwelchen Leitlinien gesagt? Das heißt, ich hab bei der AWMF gesucht – die haben ne blöde Suche zugegeben – das heißt ich habe viele Suchen gemacht. Erstmal zu dem Begriff Reflexintegration, der wird in keiner Leitlinie auch nur erwähnt, der taucht nirgendwo auf. Und dann hab ich nach dem Begriff Restreaktion gesucht, auch der taucht nirgendwo auf. Wenn ich nach dem Begriff Bewegungsmuster suche finde ich hundertfünfzigtausend Leitlinien, weil Bewegungsmuster ist halt ein allgemeiner Begriff. Ich hab dann einfach nach Reflex gesucht. Ich dachte, wenn Reflex drin vorkommt, dann wird vielleicht auch irgendwas zu persistierenden frühkindlichen Reflexen vorkommen oder Bewegungsmustern. Und hab mir dann aus den Leitlinien, die da aufgetaucht sind, das waren, glaube ich über 50, habe ich mir die rausgegriffen, wo es um Krankheitsbilder ging die für uns relevant sind und vor allem um Krankheitsbilder in der Pädiatrie. Die erste Leitlinie, die ich mir angeguckt habe, war die Leitlinie zu UEMF, zur umschriebenen Entwicklungsstörung motorischer Funktionen. Da geht es nicht um Reflexintegration, da geht es darum, dass innerhalb einer neurologischen Untersuchung Reflexe abgetestet werden sollen, um zu gucken, ob das Kind einen Hirnschaden hat. Deshalb steht das Wort Reflex da drin, aber es geht nicht um Reflexintegration.

00:31:44 Sarah Bühler: Ich muss mal was einwerfen und zwar gibt es ja Institute, die diese Reflexintegration machen und gerade die werben dafür, die Experten für ne UEMF zu sein. Ok und das finde ich echt kritisch, weil es ja eine Leitlinie gibt, eine gute S3 Leitlinie. 

00:32:04 Sara Mohr: Gewagte Aussage. Ja, eine S3 Leitlinie, die neu ist. Das heißt, wenn es diese Institute schon lange gibt, warum habt ihr euch nicht bei der Leitlinie beteiligt? Warum wollten die euch da wohl nicht? Hm, decken wir eine Verschwörung auf? Man weiß es nicht. Ok? Nächste Leitlinie visuelle Wahrnehmungsstörungen, dachte ich das ist auch ein großes Ergo-Thema da steht nichts zur Reflexintegration drin, da steht nur drin man soll auf keinen Fall sensorische Integration nach Ayres mit den Kindern machen, weil da keinerlei Effektivität in Studien nachgewiesen wurde. Es gibt Studien zur sensorischen Integration bei Kindern mit visuellen Wahrnehmungsstörungen und diese Leitlinie sagt ganz deutlich macht das nicht. Aber hat fiel mir nur auf, weil ich dachte guck? Hilft uns aber nicht weiter für die Reflexe. 

00:33:04 Sarah Bühler: Ist ne S2 Leitlinie, gell? 

00:33:09 Sara Mohr: Das weiß ich nicht auswendig, ich finde es krass, dass du da jetzt eine Idee dazu hast.

00:33:11 Sarah Bühler: Doch weil ich hab die demletzt gelesen weil ich nämlich wissen wollte was gibt es da Evidenzbasiertes bei visuellen Wahrnehmungsstörungen? 

00:33:20 Sara Mohr: Ja, da gibt es ganz tolle Programme, die man machen kann. Dann hab ich geguckt bei der Leitlinie Schädelhirntrauma im Kindes und Jugendalter. Da kommen natürlich Reflexe vor, weil nach einem Schädelhirntrauma machst du neurologische Untersuchungen, aber auch wieder nichts über Reflexintegration. Dann in der Leitlinie auditive Wahrnehmungsstörungen – auch wieder ein großes Ergo-Thema – kein Wort über Reflexintegration. In der Leitlinie Bewegungsförderung in der pädiatrischen Onkologie: kein Wort über Reflexintegration. Leitlinie vestibuläre Funktionsstörungen: kein Wort über Reflexintegration. Leitlinie Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung: kein Wort über Reflexintegration. Leitlinie zum Down-Syndrom im Kindes- und Jugendalter: kein Wort. 

00:34:08 Sarah Bühler: Aber wie oft wird das von den Lerntherapeut*innen verlangt, dass was gemacht wird oder die machen das selbst? 

00:34:16 Sara Mohr: Jetzt bei Rechenstörung und so?

00:34:16 Sarah Bühler: Ja, bei Dyskalkulie oder Legasthenie. Oh ja, das tut mir immer so leid. Tja, vor allem, weil das ja häufig selbst bezahlt wird, auch nochmal. Und das ist viel Geld, was da ausgegeben wird für was, wo man einfach nicht weiß, ob es wirkt und das aber verkauft wird, als es heilt.

00:34:41 Sara Mohr: Die Eltern kommen auf jeden Fall mit der Hoffnung. 

00:34:44 Sarah Bühler: Genau dann kommen auch zur Therapie mit diesen Listen, wo drauf steht, was diese Reflexe alles machen. 4 oder 6 Seiten Listen und dann steht da bei Moro-Reflex, wenn der noch da ist, dann ist dein Kind stur, es hört nicht, es hält sich nicht an Regeln… Bei Einnässen ist es der Galant… heißt das Galant-Reflex? 

00:35:07 Sara Mohr: Galant Reflex gibt es ja. 

00:35:11 Sarah Bühler: Was mich so stört: Ich hab Leute, die dann mit einer Liste kommen, die 6 Seiten lang ist, wo halt so allgemeine Sachen drauf stehen, dass du mit Sicherheit 10 Sachen findest, wo du dich oder dein Kind identifizieren kannst damit. 

00:35:27 Sara Mohr: Ja, Leitlinie Intelligenzminderung: nichts zu Reflexintegration und dann – ich wollte schon aufgeben – lass uns ein bisschen dramatisch machen: ich wollte schon aufgeben, aber dann!  Habe ich die Leitlinie zur Lese- und Rechtschreibstörung gelesen.

00:35:46 Sarah Bühler: Die wir ja nicht behandeln. 

00:35:49 Sara Mohr: Genau erstmal erster Punkt: Sarah warum behandeln wir Ergos, keine Lese- und Rechtschreibstörung? 

00:35:53 Sarah Bühler: Weil sie nicht im Heilmittelkatalog mit drin ist bei uns also mit dieser Diagnose darf ich keine Ergotherapie machen.

00:36:01 Sara Mohr: Ja, das ist wichtig, das nochmal zu sagen, sehr gut wir Ergos dürfen keine Lese-Rechtschreibstörung behandeln. Wer behandelt die? 

Sarah Bühler: Lerntherapeut*innen.

Sara Mohr: Okay, ich habe immer das Gefühl, dass viele Ergos das nicht wissen.

Sarah Bühler: Die wissen das dann spätestens bei der Abrechnung.

Sara Mohr: In der Leitlinie zur Lese-Rechtschreibstörung steht folgender Satz und ich zitiere jetzt wörtlich: „Die folgenden Maßnahmen zeigen bei Kindern und Jugendlichen mit Lese- und/oder Rechtschreibstörung keine Wirksamkeit:

  • Alternativmedizinische Methoden wie Homöopathie, Akupressur, Osteopathie und Kinesiologie. 
  • Visuelles Biofeedback. 
  • Monokulare Okklusion. Das ist, wenn man den Kindern so ein Auge zuklebt mit diesem Pflaster, das hilft nicht bei dieser Rechtschreibstörung. 
  • Und motorische Übungen zur Beseitigung eines persistierenden asymmetrisch tonischen Nackenreflexes bei Kindern und Jugendlichen mit Lese- und/oder Rechtschreibstörung und einem persistierenden asymmetrisch tonischen Nackenreflex – es geht noch weiter! – Diese Maßnahmen sollen nicht zur Förderung von Lese- und/oder Rechtschreibleistungen bei Kindern eingesetzt werden. Starke Empfehlung. Empfehlungsgrad A. Starker Konsens, 96% Zustimmung. 

00:37:42 Sarah Bühler: Wie viele Leute haben da mitgearbeitet, wie viele Gesellschaften? 

00:37:48 Sara Mohr: Hab nicht gezählt, glaub 2 Seiten Liste. 

00:37:51 Daniel Nicht: Ist eine S 3 Leitlinie? 

00:37:54 Sara Mohr: Jetzt stellt ihr die richtigen Fragen…

00:37:56 Daniel Nicht: Ja sorry, aber also ja, das ist schon sehr stark, aber dann nochmal kurz das Jahr und welche welche gerade das ist. 

00:37:56 Sara Mohr: Warte warte. Ja, wie gesagt, die wird gerade überarbeitet, ich werde auf jeden Fall die neue, dann auch nochmal anschauen. Eine S 3 Leitlinie. 

00:38:18 Daniel Nicht: Sehr schön also, eine sehr hohe Aussagekraft. 

00:38:23 Sara Mohr: Genau da haben unter anderem mitgemacht: der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, der Berufsverband der Kinder und Jugendlichen Psychotherapeuten. Der Berufs- und Fachverband Heilpädagogik, die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, die Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie, der Deutsche Bundesverband für Logopädie, der deutsche Verband der Ergotherapie, der DVE hat auch mitgemacht bei dieser Leitlinie. Viele, viele, viele schlaue Menschen haben gesagt Bitte nicht bei Lese-Rechtschreib-Störung Reflexe irgendwohin integrieren. So was mach ich denn jetzt? Jetzt hat Sarah eben schon gesagt die Eltern kommen mit einem Kind, das Autismus hat und sagen Bitte integrieren sie mir mal den Reflex, damit der Autismus weggeht oder ist es überspitzt? 

00:39:23 Sarah Bühler: Nein, die sagen das ist gar kein Autismus, das ist nur der Reflex. Also ich hab das schon mehrfach erlebt. Die Diagnose wird in Frage gestellt. 

00:39:34 Sara Mohr: das heißt, diese Eltern waren mit ihrem Kind…So eine Autismus Diagnose die fällt ja nicht vom Himmel, der für die musst du dich ja ganz schön also…

00:39:42 Sarah Bühler: Die waren erst im SPZ.  Das ist ja auch ein Prozess, bis man diese Diagnose hat ja, und dann gehen sie zu so einem Institut, weil sie Hoffnung suchen. 

00:39:59 Sara Mohr: Und dann sagen wir denen, och, ihr Kind hat gar keinen Autismus, die ganzen anderen Leute haben sich geirrt. Es ist nur ein Reflex nicht integriert! Ernsthaft??! 

00:40:07 Sarah Bühler: Ich bin bei den Gesprächen nicht dabei, die kommen sehr hoffnungsvoll und sagen aber wir haben jetzt ja Maßnahmen gemacht für Autismus. Jetzt wollen wir aber wohl Reflexintegration haben. Genau und dann bist du wieder dran:  Was ist Ergotherapie? Nee, wir behandeln eh nicht unbedingt Diagnosen, sondern Betätigungsprobleme. 

00:40:26 Sara Mohr: Das ist ethisch so so so schwierig. 

00:40:41 Sarah Bühler: Also was ist das Alltagsproblem und dann gucken wir dass wir da einen Weg finden, eine Lösung für jedes Problem, Stück für Stück ja. 

00:40:53 Sara Mohr: Aber diese Reflexintegration sieht dann ja vor als Therapie quasi, dass die Kinder so Bewegungsübungen machen, ne?

00:41:00 Sarah Bühler: Genau, die werden dann in diesen Instituten häufig angeleitet bekommen alle 4, 6 oder 8 Wochen eine Anleitung und die Übungen müssen dann täglich gemacht werden. Und die Kinder machen das natürlich nicht so gerne und dann kommen die Eltern mit dem Auftrag es könnte doch ein Therapieziel sein, weil das ist uns jetzt wichtig. Wie kriegen wir es hin, dass mein Kind diese Übungen macht? 

00:41:24 Sara Mohr: Aber Sie möchten nicht, dass Du mit denen auch die Übungen in der Therapie machst?

00:41:27 Sarah Bühler: Naja, das läuft ja dann ein Stück weit darauf hinaus, ne die wollen das schon gerne auslagern, weil jeden Tag diese Übungen zu machen ist natürlich auch anstrengend und man muss dann 4 – 6 Wochen diese gleichen Übungen machen jeden Tag ja, wobei das ist nicht unbedingt schlecht da kann ich wieder was Positives rausziehen. Ja weil das sind ja ähnliche Situationen auch wie bei Hausaufgaben oder bei Dingen, die Kinder nicht gerne machen und da die Eltern anzuleiten und die Kinder gemeinsamen Team zu werden und eben auch wie motiviere ich das Kind ja also das sind wieder Sachen da kann ich ja wieder damit arbeiten. 

00:42:09 Sara Mohr: Ja, ist so ein bisschen wie wir haben jeden Abend das Drama, dass das Kind nicht Zähneputzen will, ne musst du trotzdem jeden Abend machen ja ja. 

00:42:11 Sarah Bühler: Genau. 

00:42:14 Sara Mohr: Ok hm. 

00:42:15 Sarah Bühler: Ich sehe mich dabei in der Pflicht, nochmal darauf hinzuweisen und zu sagen, ich kenne keine Studie, die die Wirksamkeit der Übungen belegt. 

00:42:27 Sara Mohr: Und da schlagen wir den Bogen zurück zur Studienlage. Jetzt sind die Leitlinien der AWMF ja nicht alles, was an Evidenz da draußen ist, sondern ich habe mich tatsächlich auf die Suche begeben nochmal nach Studien, nach wissenschaftlichen Studien, die sich mit frühkindlichen Reflexen/ Bewegungsmustern/ Restreaktionen auseinandersetzt. Was gibt es denn für Studien, von wem sind die gemacht? Und da bin ich zu denselben Erkenntnissen gekommen, wie Evelyn: zuerst findet man mal einige Studien von Instituten, die selber mit Reflexintegration ihr Geld verdienen und das sind die Studien, die ich halt schon mal kritisch finde, einfach weil ich mir da schon denken kann, was die Ergebnisse auch sind.

00:43:11 Sarah Bühler: Die werden nicht sagen: Mach mal lieber nicht. 

00:43:13 Sara Mohr: Genau. Ich wollte eine unabhängige Studie, die sich das wirklich einfach mal angeguckt hat, weil ich ja immer noch herausfinden wollte, wie ist denn der Wirkmechanismus? Also was passiert im Gehirn? Ich habe herausgefunden, diese Studienlage ist vielschichtig wie eine Zwiebel. (lacht) Willkommen zum Podcast der schlechten Metaphern und wir gehen jetzt diese Zwiebelschichten durch. 

00:43:44 Daniel Nicht: Ich bin gespannt. 

00:43:55 Sara Mohr: Mhm das erste, was mir aufgefallen ist, ist, dass es keine validierten psychometrisch getesteten einheitlichen Tests für die Überprüfung von persistierenden Bewegungsmustern gibt. Also du brauchst ein Assessment um…

00:44:16 Sarah Bühler: Ja, hab ich auch schon dazu recherchiert Mhm. 

00:44:22 Sara Mohr: Und was war dein Outcome? 

00:44:25 Sarah Bühler: Da ist diese Community auch gefühlt total gespalten. Die einen sagen du musst die auslösen, damit du die siehst, und die anderen sagen bloß nicht zu oft auslösen, dann wird es schlimmer. Und dann war da mein Gedanke und wie seht ihr die dann? 

00:44:49 Sara Mohr: Ja, wie teste ich die denn wenn ich die nicht sehe? Ich weiß es nicht. Was mir in vielen Studien begegnet ist, ist der sogenannte Schilder Test. Das ist ein Test, für den asymmetrisch tonischen Nackenreflex für den ATNR. Und ich hab ich mir den jetzt mal exemplarisch rausgenommen und hab gedacht okay, vielleicht finde ich irgendwie was zu diesem Test wie der validiert wurde oder so. Und alle Studien, die sagen Wir haben einen Schilder Test angewendet, dann machst du eine Quelle. Wo kommt dieser Test her? Und das ist ein Artikel von 1985. Was nicht schlecht ist bei einem Test, wenn er einfach damals mal aufgestellt wurde, aber dieser Test wurde nicht validiert. Nicht 1985 und auch in den Jahren seitdem nicht. 

00:45:31 Sarah Bühler: Also das war so, einer hat gesagt ich mach das jetzt immer so, ich nenne das so ja mach das. 

00:45:50 Sara Mohr: Genau, aber es wurde nie geguckt testet man denn damit wirklich den ATNR? Ist es denn unabhängig von der Person, die das durchführt? Ist es überhaupt ein zuverlässiger Test? Dieser Schilder Test funktioniert wohl so: der asymmetrisch tonische Nackenreflex bei Babys ist es so wenn die auf dem Rücken liegen und man dreht vorsichtig den Kopf des Babys zu einer Seite, dann streckt es den gegenüberliegenden Arm aus und beugt den Arm in die Richtung in die man dreht, habe ich das richtig erklärt? 

00:46:22 Daniel Nicht: Da erinnere ich mich richtig, das ist doch die Fechter Stellung, oder? 

00:46:25 Sara Mohr: Genau ja. Ich hoffe, jetzt ist es richtig, sonst kriegen wir wieder böse Emails. Und bei Kindern quasi, wenn man testen will ob der ATNR persistiert, dann lässt man diese Kinder sich hinstellen. Die untersuchende Person steht hinter den Kindern und sagt Ich lege jetzt gleich meine Hände an deinen Kopf und drehe deinen Kopf und du streckst die Arme zur Seite aus und lässt die so ausgestreckt wie sie zur Seite ausgestreckt sind und bewegst deine Arme bitte nicht und dann dreht man den Kopf des Kindes zur einen Seite, wartet kurz, nach vorne, wartet kurz, zur anderen Seite, wartet kurz und beobachtet, ob sich die Arme leicht mitbewegen. So ist dieser Schilder Test aber wie gesagt das wurde nie nachgeguckt ob das irgendwie mit diesem ATNR zusammenhängt, es gibt keine validierten psychometrische getesteten Assessments für die Überprüfung von persistierenden frühkindlichen Bewegungsmustern. So das ist die erste Zwiebelschale, weil das stellt schon mal ein Problem für alle Studien dar, weil die kann ich ja schon mal nicht miteinander vergleichen, weil ich ja gar nicht weiß haben die denselben Test überhaupt gemacht um zu gucken, ob da diese Reflexe noch sind. Das macht es schon mal schwierig. Wir kennen das von Studien, die zum Beispiel Motorik untersuchen bei Kindern da wird ganz auf der M-ABC oder der BOT verwendet. Dann weiß ich die sind psychometrisch getestet, diese Assessments bewerten unabhängig die Motorik der Kinder und dann kann ich zum Beispiel mehrere Studien miteinander vergleichen und sehen, die haben alle den M-ABC genommen und da und da stimmen Sie überein in den Ergebnissen oder haben die Unterschiede? Das kann ich halt bei Studien zu Reflexintegration schonmal nicht und es gibt Studien zur Reflexintegration. So ist es nicht. Es gibt Studien, die auch nicht von Instituten gemacht werden. Es ist nicht das Problem hier, das hat mich erstaunt, dass wir einen Mangel an Studien hätten. Evelyn hat ja auch in ihrem Audiokommentar erzählt, es haben ihr Leute Studien geschickt. Ich möchte speziell auf eine Studie eingehen von Forschenden aus Australien aus dem letzten Jahr. Die wurde nämlich publiziert in einem amerikanischen Ergojournal. Eine von Evelyns Fragen war ja auch, gibt es das überhaupt? Gibt es überhaupt persistierende frühkindliche Reflexe oder Bewegungsmuster? Oder ist das nur so ein Mythos? Und was diese Studie gemacht und was viele Studien gemacht haben, die haben sich einfach mal angeguckt: wir nehmen uns einen Haufen Kinder und testen bei denen die Reflexe ab. Und damit es noch irgendwie im Zusammenhang steht, wollten die herausfinden wie ist denn der Zusammenhang zwischen persistierenden frühkindlichen Reflexen und den Schulleistungen, den Schulfähigkeiten. Dazu sind sie an eine Schule in den USA gegangen und haben da 24 Kindergartenkinder und 29 Erstklässler genommen und haben bei denen 7 verschiedene frühkindliche Reflexe abgetestet, bei allen Kindern einfach einmal durch die Bank durch. Das waren keine Kinder mit Diagnosen oder so. Es waren einfach die Kinder, die da in diesen Kindergarten beziehungsweise in diese erste Klasse gegangen sind. Außerdem haben Sie natürlich gerade bei den Erstklässlern sich die Schulleistungen angeschaut. Wie klappt das mit dem Lesen? Wie klappt das mit dem Schreiben? Sie haben aber auch Teste gemacht zu den kognitiven Fähigkeiten, zum Problem lösen, zum Mengenverständnis usw.  Und was meint ihr wohl? Wie viele dieser Kinder hatten mindestens einen persistierenden frühkindlichen Reflex?

Sarah Bühler: Alle.

Sara Mohr: Alle. Hundert Prozent. Jedes Kind hatte mindestens einen persistierenden frühkindlichen Reflex. Und damit kann ich keine Zusammenhänge mehr irgendwie zu den schulischen Leistungen finden, weil wenn alle das haben, die haben ja nicht alle irgendein Problem im Alltag, also das sind ja nicht irgendwie überall Symptome, das sind ja einfach Kinder, die da gerade rum liefen. 

00:51:13 Sarah Bühler: Nein, die sind alle mal bockig. 

00:51:15 Sara Mohr: Ja, die sind bestimmt alle mal bockig, ja, bestimmt hatten bestimmt auch manche Probleme, Fahrradfahren zu lernen. Aber wir können jetzt nicht mehr sagen, dass das von den Reflexen kam. Ja, und es gibt mehr Studien, die sagen, dass die sich das zum Beispiel auch bei Erwachsenen angeguckt haben, und da gibt es Zahlen zwischen 30 und 60% der Erwachsenen haben einfach noch persistierende frühkindliche Reflexe. Die halt leicht auslösbar sind, aber so what? 

00:51:47 Sarah Bühler: Ja, konntest du rausfinden, was da im Gehirn passiert?

00:51:51 Sara Mohr: So genau nächster Schritt, das war die nächste Zwiebelschicht. Wir wissen also ein großer Prozentsatz aller Menschen hat diese Reflexe, das macht es schwierig, jetzt irgendwie Zusammenhänge zu finden. Nächste Zwiebelschicht, dann habe ich mir die Studien angeguckt, die aber diese Zusammenhänge trotzdem irgendwie untersucht haben. Es gibt viele Studien, die zeigen, dass frühkindliche Reflexe, auch wenn die mit nicht validierten Tests getestet wurden, aber das nehmen wir jetzt einfach mal so hin, dass diese frühkindlichen Reflexe gemeinsam mit anderen Symptomen oder Erkrankungen auftreten. Also es gibt ganz viele Studien, die sagen, wir finden frühkindliche Reflexe bei Kindern mit Konzentrationsproblemen. Wir finden die bei Kindern mit UEMF, wir finden die bei Kindern mit Down Syndrom, wir finden die bei Kindern mit Autismus, bei Kindern mit ADHS, bei Kindern mit Lernbehinderung und die Liste ist unendlich lang. Und das sind nicht unbedingt schlechte Studien. Aber und jetzt kommt wahrscheinlich der Knackpunkt dieser Folge. Diese Studien zeigen nur, dass diese Dinge wie zum Beispiel Konzentrationsprobleme und ein persistierender asymmetrischer Nackenreflex gemeinsam auftreten. Die sind gemeinsam da, das heißt, wir haben eine Korrelation. Wir haben schon mal über Korrelation gesprochen von. 

00:53:15 Sarah Bühler: Wir brauchen noch mal das Schuh-Beispiel. 

00:53:16 Sara Mohr: Ja genau in einer früheren Folge haben wir da schon drüber gesprochen. Ja, genau, ich habe ein anderes Korrelationsbeispiel heute mit. Wir hatten in der alten Folge gesagt, dass Menschen mit großen Schuhgrößen mehr Gehalt haben. Das ist eine Korrelation, weil das nicht heißt, dass wenn ich mir morgen größere Schuhe kaufe, dann habe ich auch morgen mehr Gehalt. Sondern es gibt einen dritten Faktor, der die beiden auslöst, ne? Der dritte Faktor ist das Geschlecht. Wir wissen, dass Männer größere Schuhe haben und Männer mehr verdienen in unserer Gesellschaft. Das ist der Zusammenhang, da ist die Kausalität, Schuhgröße und Gehalt ist nur eine Korrelation. Das heißt, eine Korrelation beschreibt keine Ursache-Wirkungs-Beziehung in die eine oder andere Richtung also nur weil die Dinge gemeinsam auftreten, heißt es nicht, dass die direkt zusammenhängen durch Ursache und Wirkung. Zum Beispiel ist es auch eine Korrelation, dass im Sommer der Verzehr von Eiscreme und das Auftreten von Sonnenbränden steigt. Das heißt aber nicht, dass ich von Eiscreme essen, Sonnenbrand kriege. 

00:54:30 Daniel Nicht: Das ist ein super schönes Beispiel. 

00:54:34 Sara Mohr: Also es tritt gemeinsam auf, mehr Menschen essen Eis und mehr Menschen haben Sonnenbrand aber es gibt… 

00:54:42 Daniel Nicht: Der dritte Faktor ist die Sonne. 

00:54:45 Sara Mohr: Der dritte Faktor ist die Sonneneinstrahlung genau. Es gibt aber auch Korrelationen, da muss es überhaupt gar keinen Zusammenhang geben. Die treten einfach zufällig gemeinsam auf. Zum Beispiel habe ich eine lustige Korrelation gefunden. Es gibt eine Korrelation zwischen Filmen mit Matthias Schweighöfer und den Einsatzzahlen des in München stationierten Rettungshubschrauber Christoph 1. Nur wenn man die Kurven übereinander legt, wie oft Matthias Schweighöfer Filme veröffentlicht und die Einsatzzahlen dieses Rettungshubschraubers, dann passen die Kurven. Heißt das jetzt immer, wenn der einen Film veröffentlicht, verunglücken mehr Menschen und der Rettungshubschrauber..? Da gibt es einfach keinen sinnhaften Zusammenhang. Oder es gibt auch eine Korrelation zwischen der Anzahl der Menschen, die aus Deutschland nach Australien ziehen und den Patentanmeldungen in Baden Württemberg. 

00:55:41 Daniel Nicht: Wenn du genau genug gucken willst, wirst du überall mal wieder Korrelation finden, die sich aber nicht bedingen. Aber zurück zum Thema: Du warst ja bei Forschung und du hast jetzt quasi festgestellt, dass sehr viel geforscht wurde und dass ausschließlich Korrelation gefunden wurde. Aber keine…

00:56:02 Sara Mohr: genau. 

00:56:04 Daniel Nicht: …gegenseitige Bedingung? 

00:56:07 Sara Mohr: Ganz genau und da gibt es viele Studien, also ich glaube, wir können anhand der Studienlage davon ausgehen, dass es diese persistierenden Reflexe gibt. Wir bräuchten mal ein validiertes Assessment dafür, aber es scheint sie wirklich zu geben und sehr, sehr viele Menschen haben die und die treten wohl auch auf, wenn Menschen irgendeine Erkrankung haben, oder Symptome, die in irgendeiner Form von der Norm abweichen. Das würde ich jetzt mal anhand der Studienlage sagen. Ja, das gibt es, aber das sind Korrelationen. So nächste Zwiebelschale. Und das ist meine vorletzte Zwiebelschale. Es gibt bisher keine – und ich wiederhole keine – Studie, die eine Kausalität nachweist. Wenn ihr da draußen eine habt, schickt sie mir, ich habe keine gefunden. Das würde bedeuten es gibt eine Studie, die diesen Ursache-Wirkung-Zusammenhang nachweist, zum Beispiel zwischen frühkindlichen Reflexen und Konzentrationsproblemen. Kausalitäten funktionieren immer in eine Richtung, also zum Beispiel je mehr Sonnencreme ich benutze, desto weniger Sonnenbrand habe ich. Das ist eine Kausalität in Richtung von Sonnencreme zu weniger Sonnenbrand. Ich habe mich sehr, sehr gefreut bei meiner Recherche, als ich ein ganz, ganz, ganz aktuelles Systematic Review gefunden habe, das letzten Monat veröffentlicht wurde. Ganz, ganz frisch. Es beschäftigt sich damit: Welche gut gemachte Studien finden wir denn zu der Assoziation zwischen Lernbehinderungen, motorischen Funktionen und frühkindlichen Reflexen bei Vorschulkindern. Und die haben 27 Studien inkludiert. Die haben Studien ausgeschlossen wo es um Kinder ging mit neurologischen Erkrankungen. Ne, weil sie sagen da wissen wir, da sind Reflexe da, weil das Kind Hirnschädigungen in irgendeiner Form hat und sie haben Studien ausgeschlossen mit Frühgeborenen, weil auch da die Hirnreifung beeinträchtigt sein kann. 

00:58:10 Sarah Bühler: Okay, Mhm. 

00:58:25 Sara Mohr: 27 Studien wurden eingeschlossen. Und sie sagen ja, diese Studien zeigen ganz klar Korrelationen. Vor allem sehen wir Korrelationen zwischen den motorischen Fähigkeiten und den Lernfähigkeiten. Das wussten wir auch schon vorher, dass diese Sachen zusammenhängen. Korrelationen, die treten häufig gemeinsam auf, keine Kausalitäten und wir sehen bei 3 Studien auch Korrelationen zwischen frühkindlichen Reflexen und motorischen Fähigkeiten, also Störungen der motorischen Fähigkeiten, treten häufig gemeinsam auf mit persistierenden frühkindlichen Reflexen und dieses Systematic Review sagt ganz klar: Es gibt keine Studien von guter Qualität, die ja auch nur eine Kausalität aufzeigen. Das sind alles Korrelationsstudien. Das heißt auch diese Zwiebelschale löst das Problem nicht. Und dann habe ich mich gefragt: Wie müsste denn eine Studie aussehen, die diese Kausalität zeigen kann? Nehmen wir mal an unsere Hypothese ist ein Kind mit einem persistierenden, asymmetrisch tonischen Nackenreflex hat auch eine schlechtere Konzentration, hat Konzentrationsprobleme. So wie würden wir diese Studie machen? Wir würden sagen kausaler Zusammenhang: je mehr persistierender asymmetrisch tonischer Nackenreflex, desto schlechter die Konzentration. 

01:00:02 Daniel Nicht: Da müssten wir erstmal eine Kontrollgruppe haben. 

01:00:06 Sara Mohr: Genau wir brauchen ein RCT, wir brauchen eine große prospektive, experimentelle Studie, müssen mehrere hundert Kinder inkludieren, die eine repräsentative Stichprobe der Gesellschaft darstellen, bei denen ganz klar ist die haben das Konzentrationsproblem, das wir uns angucken möchten. Das heißt, Sie müssen vorher alle getestet werden. 

01:00:28 Sarah Bühler: Und die Reflexe? 

01:00:30 Sara Mohr: Und die haben auch einen persistieren asymmetrischen Nackenreflex und dann machen wir… ich schlage 3 Gruppen vor, ich schlage vor wir haben eine Kontrollgruppe, die ihr Leben ganz normal weiter lebt und nichts macht, und wir haben eine Placebo-Gruppe, die irgendwelche Übungen machen, muss jeden Tag und dann brauchen wir eine Gruppe, die diese Reflexintegrations-Übungen macht jeden Tag, und dann gucken wir uns nach einer gewissen Zeit an bei welcher Gruppe ist es denn besser geworden? Das Problem ist: Wir müssten bei allen diesen Gruppen alle anderen Faktoren, die die Konzentration beeinflussen könnten, kontrollieren, das heißt, wir müssen sicherstellen, dass alle Kinder entweder dieselben oder keine anderen Therapien machen, wir müssen gucken, dass sie alle dieselben Umwelteinflüsse haben, dieselbe soziale, ökonomische, schulische Situation, dieselben Medikamente nehmen oder keine Medikamente nehmen. Denselben Umgang mit den Bezugspersonen.

Sarah Bühler: Genug schlafen, gut Ernährung.

Sara Mohr: Genau. Dieselbe Anzahl an Übungen, im selben Zeitraum, zum selben Zeitpunkt… no way! Diese Studien macht niemand, die macht niemand, weil das ist ein Aufwand, der ist nicht zu leisten. Ich habe eben gesagt, wir müssten mehrere hundert Kinder inkludieren, damit es irgendeine Aussagekraft hat. Das geht nicht. Und warum geht das nicht? Letzte Zwiebelschicht: Warum geht das nicht? Weil wir keine Hypothese haben. Es gibt keine Theorie darüber, wie der Wirkmechanismus aussehen sollte, was denn passiert? Wie ist denn der Zusammenhang zwischen frühkindlichen Reflexen und Konzentration? 

01:02:30 Sarah Bühler: Wir müssen ja die Frage haben, damit wir auch eine Antwort suchen können. 

01:02:35 Sara Mohr: Bisher hat noch niemand gesagt: Na, ich glaube im Gehirn passiert das und das und deshalb muss die Konzentration besser werden, wenn wir die Reflexe verbessern. Es gibt dazu nicht einmal eine Theorie und wenn ich keine Theorie habe, dann kann ich keine Frage stellen. Dann kann ich keine Studie machen, weil dann müsste ich in alle Richtungen forschen. Versteht ihr, was ich meine? 

01:02:56 Sarah Bühler: Ja, ich versteh das. Ja, man müsste dann auch erstmal anfangen auszuschließen. 

01:03:01 Sara Mohr: Genau, weil diese Kinder zum Beispiel die eine UEMF haben, die haben ja nicht nur meinetwegen persistierende frühkindliche Reflexe, da sind ja noch Korrelationen mit ganz vielen anderen Sachen zum Beispiel haben UEMF Kinder häufig auch ein ADHS beziehungsweise andersrum, ne andersrum. Auch da wissen wir noch nicht warum. Solange wir keine Hypothese haben, keine valide Hypothese, können wir nichts überprüfen. Ohne Hypothesen müssen wir ständig in alle Richtungen forschen, also sobald jemand sagt: am Südpol gibt es lila Einhörner, müssten wir eine Forschungsgruppe an den Südpol schicken, um die lila Einhörner zu suchen. Das ist aber Quatsch, ist teuer. Wir fordern, dass die Leute die sagen am Südpol gibts lila Einhörner und erstmal ne Hypothese liefern. Warum genau sind denn die Einhörner am Südpol? Was essen die denn? Frieren die nicht? Das sind Fragen, die erstmal beantwortet werden müssten, bevor wir diese Expedition zum Südpol starten und das sind Fragen, die erstmal über frühkindliche Reflexe…also jetzt nicht bezüglich des Essens, aber… Was ist denn der Zusammenhang? Was ist denn der Wirkmechanismus, den sich die Leute vorstellen? Und dazu gibt es nichts und deshalb gibt es auch keine Studien, die die Kausalität nachweisen. 

01:04:28 Daniel Nicht: Okay. Das ist der Backstein…

01:04:36 Sara Mohr: Ohje, Podcast der schönen Metaphern. 

01:04:39 Daniel Nicht: Das war der letzte Stein im Mauerwerk deiner Argumentation habe ich das Gefühl? 

01:04:51 Sara Mohr: Das Zwiebel Mauerwerk ist abgeschlossen. 

01:04:57 Daniel Nicht: Interessant Ja. Okay. 

01:04:59 Sara Mohr: Soll ich das nochmal in einem Fazit zusammenfassen in 2 Sätzen?

01:05:04 Daniel Nicht: Ja, ich habe gerade auch noch mal kurz überlegt also ich finde ein Fazit glaube ich ziemlich gut, weil wir sind jetzt schon so durch ein paar Zwiebelschichten gehüpft.

01:05:31 Sara Mohr: Also Fazit: es mag persistierende frühkindliche Reflexe geben. Wir haben zwar noch keine validierten Tests dafür, aber es scheint die wirklich zu geben und sehr, sehr viele Menschen haben die. Es gibt auch Korrelationen zwischen frühkindlichen Reflexen oder Bewegungsmustern und bestimmten Krankheitsbildern, das sind nur Korrelationen, die treten gemeinsam auf, aber es gibt keinerlei Beweis und noch nicht mal eine valide Hypothese für einen Ursache-Wirkungs- Zusammenhang zwischen frühkindlichen Reflexen und Krankheitsbildern und deshalb macht die Reflexintegration als Therapiemittel keinen Sinn, weil niemand nachweisen kann, ob sie wirkt. 

01:06:22 Sarah Bühler: Das ist doch auch gruselig, wenn du was anwendest und nicht mal weißt, wie es wirkt? 

01:06:30 Sara Mohr: Ja, und die Schwurbler sagen dann ist doch egal „wer heilt, hat recht“. Nein wer heilt, muss nachweisen, dass er es war, der geheilt hat. Du weißt nicht, ob es funktioniert, jetzt sagen wir mal, diese Kinder machen wirklich 10 Minuten am Tag diese Übungen wir wissen nicht, ob es die Übungen sind oder einfach, dass die Kinder froh sind, dass die Eltern sich mal 10 Minuten am Tag mit denen beschäftigen und sich dadurch vielleicht die Bindung verbessert und sich dadurch zum Beispiel auch Konzentrationsprobleme besser angehen lassen. 

01:07:07 Sarah Bühler: Ja also, ich bin ein Freund von Übungen. 

01:07:11 Sara Mohr: Leute, die 3 Do’s: Morgen kommt ein Papa mit seinem Kind in die Praxis und sagt „Ich wurde geschickt von einem Institut, mein Sohn soll die frühkindlichen Reflexe integrieren. Können Sie das mit ihm machen?“

01:07:27 Daniel Nicht: Nein, die Evidenzbasis dafür ist nicht ausreichend vorhanden. Wir können gerne gucken, wie wir ergotherapeutisch relevant mit ihrem Kind arbeiten können. 

01:07:38 Sara Mohr: „Aber es ist mir doch so wichtig, die haben gesagt, das hilft gegen alle Konzentrationsprobleme von meinem Sohn. In der Schule bleibt er vielleicht sitzen, der ist so schlecht in der Schule, der kann nicht Ruhe halten, auch beim Abendessen nicht.“

01:07:48 Sarah Bühler: Nee, natürlich gehe ich auf sowas ein. Und sage, dass laut meinem momentanen Wissensstand zu wenig Evidenz gibt, also wenig Studien, die aussagen, dass eine Kausalität da ist, also dass das eine das andere bedingt, sondern es kann sein, dass beides auftritt, aber das wir dadurch nicht wissen, wie wir daran gehen sollen. Und was denn die Alltags Probleme sind? 

01:08:22 Sara Mohr: Genau das wäre mir wichtig, dass wir den Bogen nochmal zu Ergotherapie schlagen, denn das ist mir eben nur mal so als Gedanke gekommen. Selbst wenn wir in einer Welt leben würden, in der es einen kausalen Zusammenhang zwischen frühkindlichen Bewegungsmustern und, sagen wir, Konzentrationsproblemen gibt, warum ist es ein Thema für die Ergotherapie? Warum? Das ist keine ergotherapeutische Behandlungsweise in irgendeiner Form. Ein Kind Bewegungsübungen machen lassen, warum sollen das Ergos machen? 

01:08:53 Daniel Nicht: Gute Frage. 

01:08:54 Sara Mohr: Also da haben wir ja wieder das das Transfer Problem, dass wir bei so vielem haben. Warum soll Peddigrohr Korb flechten die Konzentration verbessern? Wie soll dieser Transfer in den Alltag stattfinden und das gleiche Problem sehe ich da auch, selbst wenn es einen kausalen Zusammenhang gäbe. Wie soll der Transfer gelingen zum Hausaufgaben machen? Wie soll der Transfer gelingen zum in der Schule konzentriert mitarbeiten? Das ist ja eigentlich das, wo die Ergotherapie stattfindet. 

01:09:22 Sarah Bühler: Gut, aber den Bogen kriegst du ja immer gespannt. 

01:09:25 Sara Mohr: Ja, und das glaube ich wichtig den Leuten auch nochmal, wenn dann da Eltern kommen und die kommen ja in Sorge um ihr Kind und wollen das Beste. 

01:09:31 Sarah Bühler: Sind verzweifelt. Und denen auch trotzdem Raum zu geben und eben zu sagen dann lasst uns mal schauen was sind die Alltagsprobleme also, warum sind sie denn in dieses Institut und dann zu gucken, was für Möglichkeiten gibt es noch oder wie können wir Alltagsprobleme angehen? 

01:09:50 Daniel Nicht: Je nachdem, welche Diagnose da kommt, kann man natürlich auch die Leitlinien zu der Erkrankung, auch zu Rate ziehen, gucken, was Ergotherapie da kann.

01:10:05 Sara Mohr: Genau Sarah, Du hattest, glaube ich mal bei einem unserer Gespräche auch gesagt, dass man, wenn die Eltern jetzt da so mega abfahren, auf diese Übungen, dass man die denen ja auch gar nicht unbedingt „wegnehmen“ muss, ne. 

01:10:16 Sarah Bühler: Ne, ich finde prinzipiell immer, wenn sich Eltern gezielt mit einem Kind beschäftigen, erstmal eine gute Sache, wenn das ohne Zwang passiert und im Spaß passiert und warum das nicht nutzen, weil es ist ja nichts anderes wie eine Lernsituation. Oder eine Übungssituation, die im Alltag ja auch immer wieder auftreten und bei denen viele Kinder oder viele Familien ja auch Schwierigkeiten haben, positive Lernsituationen zu gestalten und das ist ja häufig das Alltagsproblem, Hausaufgaben und solche Übungen sind Dinge, wo man da schon anleiten kann. 

01:10:56 Sara Mohr: Also schicken wir die Leute doch nicht weg, sondern wir sagen ok, wir finden gemeinsam raus, wie sie mit Ihrem Kind konzentriert die Übungen machen können und konzentriert die Hausaufgaben. 

01:11:05 Sarah Bühler: Zum Beispiel ja, oder eben den Bogen auch zu spannen ja, weil häufig steckt ja tatsächlich ein Alltagsproblem dahinter. Und das sind häufig schulische Probleme. Ja also oder Hausaufgaben oder gewisse Übungen machen, sich an Regeln halten das sind ja alles Dinge, die man da mit einfließen lassen kann. Aber das finde ich auch wichtig zu kommunizieren, dass eben nicht das Ziel ist, diese Übung zu machen, sondern das Ziel ist, die Situation zu gestalten, die Eltern anzuleiten. Wie kann ich so eine Situation positiv gestalten? Was für Hilfsmittel kann ich vielleicht nutzen und dem Kind zu vermitteln „Hey mit der Mama oder dem Papa lernen oder was gemeinsam tun kann auch Spaß machen“. Und ich glaube auch, was diese Institute meiner Meinung nach gut machen, die kommunizieren sehr klar. Diese Übung müssen regelmäßig gemacht werden. Was aber auch heißt, dass sich die Eltern mit dem Kind an jedem Tag ganz gezielt mit etwas auseinandersetzen. Also es ist ja schon fast wie eine Mama- oder eine Papa-Zeit. 

01:12:24 Sara Mohr: Hm, du meinst dann könnte es auch als Quality-Time sein?

01:12:26 Sarah Bühler: Je nachdem, wie es gestaltet wird, das kommt natürlich immer wieder darauf an und ich glaube, das hat auch schon einen großen Effekt gemeinsam was zu schaffen oder zu erreichen gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten. 

01:12:42 Daniel Nicht: Gibt es da eine Korrelation? 

01:12:47 Sara Mohr: Dass Quality Time gemeinsam mit glücklichen Kindern auftritt? Ich glaube ja. (lacht)  Ja, liebe Freunde und Freundinnen da draußen, wenn ihr die Kausalitässtudie zu diesem Thema findet, schickt sie uns. 

01:13:06 Daniel Nicht: Auf jeden Fall. Ihr habt auf jeden Fall die Möglichkeit bei uns auf der Internetseite, da, wo wir unseren Podcast hinterlegen eine Nachricht zu hinterlassen, ob es euch gefallen hat oder nicht. Und auch die anderen Beiträge zu lesen. Also ihr seid herzlich gerne eingeladen, uns da zu besuchen und vielleicht noch andere Folgen von uns nachzuhören. Ansonsten sind wir natürlich auch herzlich gerne bereit, wie ihr gesehen habt, in euer Thema einzutauchen. Dieses Mal sind Sara und Sarah ganz tief getaucht, quasi in den Marianen Graben der Forschung. (lacht)

Sara Mohr: (lacht) Der Podcast der schlechten Metaphern auf jeden Fall. 

Sarah Bühler: Ja, heute, auf jeden Fall. 

01:14:03 Sara Mohr: Genau schreibt uns Email an info@ergo-unterwegs.de, oder bei Instagram. Ja super, wir freuen uns von euch zu hören. Und ich freu mich euch nächstes Mal wieder zu hören. Habt einen schönen Abend!

Sarah Bühler: Tschüss!

Daniel Nicht: Tschüss! 

Die Studie in Bildern

2 Comments

Silvia
28. Januar 2024

Vielen Dank für diese so informative und wichtige Folge!

Reply
Evelyn
12. September 2022

Danke, Danke, Danke! Das habt ihr sehr gut recherchiert, erklärt und zusammengefasst! Herzliche Grüße Evelyn

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