#10 - ADHS und Feinmotorik: Wie kannst du die Therapie gestalten?
Sarah stellt ein Review zum Thema Feinmotorik bei Kindern mit ADHS vor – ein Thema, das leider noch viel zu wenig erforscht wird! Umso wichtiger ist es, dass wir Ergotherapeut*innen zwei grundlegende Faktoren bei der Therapiegestaltung bedenken!
Geschichten aus dem Alltag: Sarah erzählt vom DVE Kongress 2022, wo wir einen Vortrag zum Theorie-Praxis-Transfer halten durften! Sara schreibt ihre Masterarbeit und hat dabei ein neues Wort gelernt: Präkrastination.
Lust auf mehr Evidenz für dein Team?
- Einen Rückblick auf den DVE Kongress 2022 gibt es hier.
- Mehr Infos zur Präkrastination oder „Vorzieheritis“ gibt es hier.
- Das Fotointerview als Assessment in der Pädiatrie.
- Die S3 Leitlinie ADHS.
Und die Studie dieser Folge ist: Lelong, M., Zysset, A., Nievergelt, M., Luder, R., Götz, U., Schulze, C., & Wieber, F. (2021). How effective is fine motor training in children with ADHD? A scoping review. BMC Pediatrics, 21(1), 490.
Intro: Hintergrundmusik, die sich langsam steigert. Eine Stimme sagt: Evidenz auf die Ohren, der Podcast für evidenzbasierte Ergotherapie.
00:00:25 Sara Mohr: Wir sind heute so nah beieinander Sarah und ich, wie noch nie in einer Folge und trotzdem ist die Qualität in dieser Folge wahrscheinlich die schlechteste aller Zeiten (lacht), je näher wir zusammenkommen, desto schlechter wird die Aufnahmequalität. Wir befinden uns nämlich nicht nur auf demselben Kontinent, sondern im selben Land. Und heute Morgen waren wir sogar noch in derselben Wohnung.
00:01:00 Sarah Bühler: Das stimmt.
00:01:03 Sara Mohr: Ich bin nämlich momentan in Deutschland und habe die Sarah besucht. Und das war sehr schön. Und jetzt darf ich aus meinem alten Kinderzimmer aufnehmen, auf dem Boden sitzend und habe gemerkt, dass ich kein Mikrofon besitze und es wäre sicherlich eine Möglichkeit gewesen, von dir, Sarah, heute Morgen ein Mikrofon mitzunehmen.
00:01:19 Sarah Bühler: Ich habe sogar überlegt, aber ich hab’s dann auch vergessen.
00:01:24 Sara Mohr: Da bin ich einfach gefahren. Jetzt müssen wir so aufnehmen mit dem Laptop Mikrofon, ich hoffe, ihr verzeiht uns. Die Form ist vielleicht schlecht, aber der Inhalt ist dafür umso besser. Sarah was ist deine Geschichte aus dem Alltag?
00:01:42 Sarah Bühler: Ja nicht wirklich eine Geschichte, aber noch was mich noch ein Stück bewegt und beschäftigt die Woche, und zwar waren wir ja auf dem DVE Kongress und da war das Thema Akademisierung ein ganz Großes. Und ich finde das auch unglaublich wichtig, aber ich habe auch wahrgenommen, dass sich viele Auszubildende bisschen im Stich gelassen fühlen und teilweise sogar ein bisschen verzweifelt waren, weil es so viele Inhalte vom Studium auch vorgestellt wurden oder so viel Referent*innen da waren, die studiert haben.
00:02:16 Sara Mohr: Mhm, okay.
00:02:18 Sarah Bühler: Und das finde ich irgendwie schade, wenn sich da Leute ausgeschlossen fühlen. Und deshalb war es mir nochmal wichtig zu sagen – Ich hoffe wir erreichen jetzt auch die Leute-. Weil die auch so Bedenken hatten, nicht in der Praxis anzukommen.
00:02:37 Sara Mohr: Mhm ja.
00:02:38 Sarah Bühler: Und da wollte ich nochmal sagen, wir brauchen Leute in der Praxis, die eben nicht nur auf Forschung machen, sondern die praktisch arbeiten und dass wir uns mit Sicherheit die Zeit nehmen, Leute einzuarbeiten. Das war ein großes Thema. Ja, und dass wir uns auf jeden, der aus der Ausbildung kommen, freuen.
00:03:01 Sara Mohr: Ja, auf jeden Fall, das ist wichtig, dass wir das sagen, wobei ich noch einmal klarstellen möchte, dass studiert haben, nicht heißt jetzt kann ich Forschung machen und bin kein*e Praktiker*in.
00:03:10 Sarah Bühler: Ja, das war so auch nicht gemeint, nein.
00:03:12 Sara Mohr: Im Gegenteil also, man hat ja im grundständigen Studium genauso viele Praxisphasen wie in der Ausbildung auch, aber das heißt einfach nur, dass die im Studium die gleichen Skills haben, wie die aus der Ausbildung, (vernuschelt) bisschen besser hoffentlich. Und wir brauchen Leute, egal woher, lasst euch nicht entmutigen. Geht zu Sarah in die Praxis für eure praktische Ausbildung. Ja, darf ich Werbung machen dafür? Du hast da Lust drauf, ne?
00:03:41 Sarah Bühler: Total, aber das hängt immer von den Kooperationsverträgen ab, die du mit den Schulen hast. Aber ja total gerne, ich habe immer gerne Leute da.
00:03:51 Sara Mohr: Ja, es waren super viele Lernende auf dem Kongress das war echt schön, das war cool. Ich hab große Hoffnungen in die neue Ergogeneration, die waren alle super motiviert und irgendwie voll engagiert. Ich fand das sehr schön, ich habe ein paar schöne Gespräche geführt.
00:04:06 Sarah Bühler: Ja, das war auch mein Highlight.
00:04:13 Sara Mohr: Sarah, wir haben einen Vortrag gehalten, war das nicht dein Highlight?
00:04:18 Sarah Bühler: Das war nicht mein Highlight. Ja, das mache ich einfach nicht so gerne.
00:04:25 Sara Mohr: Ich möchte hier nochmal sagen, wir haben ja, als wir das Thema mit Nervosität vor Vorträgen hier zum ersten Mal angesprochen haben so liebe Nachrichten von den Hörenden bekommen, die Tipps gegeben haben, wie man damit umgehen kann und Bücher empfohlen und…
00:04:33 Sarah Bühler: Das stimmt. Und ich hab die auch gelesen, also ich habe das auch gelesen, aber das ist, wenn ich dann da bin, dann ist das einfach mein Körper macht andere Sachen als mein Hirn.
00:04:48 Sara Mohr: Ja, aber du hast es so gut gemacht. Das hat wunderbar geklappt.
00:04:52 Sarah Bühler: Ja, aber das war nicht mein Highlight, sondern mein Highlight war wirklich auch der Austausch, das war cool, ja. Ja also wer noch nicht auf dem Kongress war, nächstes Jahr ist wieder Kongress. Wir werden dabei sein, bestimmt.
00:05:05 Sara Mohr: Wir sind bestimmt da ja, guck mal, ich komm von Australien nur für den Kongress komme ich natürlich nach Deutschland (lacht).
00:05:17 Sarah Bühler: Ja, was ist deine Geschichte aus dem Alltag?
00:05:20 Sara Mohr: Ich hab 36 Stunden in Flugzeugen und Zügen verbracht, das war alles nicht so spektakulär, aber ich hab ein neues Wort gelernt diese Woche und zwar habe ich – ich schreibe ja gerade meine Masterarbeit und ich bin zum ersten Mal… also ich bin so jemand, ich bin so ein Arbeitstyp, ich brauch immer ein bisschen Druck. Also ich mache nicht immer alles kurz vor knapp, aber es muss einen Grund geben, warum ich anfange. Und das hat in den 34 Jahren meiner Existenz hervorragend funktioniert meistens. In der Masterarbeit ist es zum ersten Mal, dass ich mein Zeitmanagement vollkommen verkackt habe. Ich habe so richtig meinen Zeitplan nicht eingehalten viel, viel, viel zu spät angefangen also ich hatte ne andersrum. Ich hatte schon mal angefangen. Dachte ich bin so gut in der Zeit, jetzt kann ich ja mal ein bisschen Pause machen und mich auf andere Sachen konzentrieren und dann habe ich zu spät wieder angefangen und jetzt bin ich gerade in einer sehr stressigen Schreibphase. Ich habe also prokrastiniert und habe dann letzte Woche was gelesen über Prokrastination und fühlte mich super angesprochen und dann ging es auf einmal Präkrastination.
00:06:51 Sarah Bühler: Was ist das?
00:06:54 Sara Mohr: Das ist das Gegenteil von Prokrastination, dass du Dinge immer sofort erledigen willst, dass du Aufgaben nicht priorisiert, sondern alles was zu tun ist, muss sofort getan werden, und das macht genauso Stress und Druck, wie wenn du prokrastiniert und dann nachher hinten raus ein Zeitproblem hast.
00:07:16 Sarah Bühler: Da fühle ich mich angesprochen.
00:07:18 Sara Mohr: Bist du eine Präkrastiniererin?
00:07:20 Sarah Bühler: Ich kann ja nicht priorisieren, bei mir ist immer alles wichtig und ist auch sofort wichtig. Ja, ich muss da immer gestoppt werden, ja.
00:07:29 Sara Mohr: Das ist ganz spannend und die haben empfohlen, dass man quasi also natürlich priorisieren einmal ne, wann ist welche Aufgabe fällig und dann kann man sich das so in den Kalender eintragen. Menschen, die präkrastinieren sind häufig Leute, die sich schon Pläne aufstellen und Termine machen, die dann aber zu viel machen und sie sind häufig Leute, die eigentlich einen ganz guten Plan haben, also sich ganz gut an Termine halten können, die dann aber zu viel machen: „Jetzt hab ich ja noch Zeit, dann mach ich doch das von morgen auch noch und das was ich übermorgen machen wollte auch noch“ und das wird immer mehr und immer mehr und es kann kein Leerlauf mehr genossen werden, also mal nichts zu tun, Freizeit zu haben, schöne Dinge zu tun, die nicht produktiv sind oder so, weil es immer nur um To Do Listen abhaken geht. Es wird empfohlen eben diese positive Leerlauf-Zeit tatsächlich einzuplanen, also wirklich zu planen, heute von 16 – 17 Uhr mache ich nichts, das ist die Aufgabe ich sitze in der Hängematte und trinke einen Kaffee, das ist meine Aufgabe von 16- 17Uhr.
00:08:35 Sarah Bühler: Nur eine Sache machen? Ich kann nicht nur eine Sache machen, das fällt mir schwer, ich mach noch schnell das und dann könnte ich ja noch schnell das machen z.B. die Spülmaschine ausräumen, denn die steht ja bei der Kaffeemaschine.
00:08:51 Sara Mohr: Ja, ja. Das fand ich auf jeden Fall ganz interessant. Das hat aber mein Masterarbeitsproblem nicht gelöst (lacht), aber wir haben dem Kind einen Namen gegeben. Schön, mir fällt gerade ein, dass wir uns am Anfang gar nicht vorgestellt haben, aber wer nicht weiß, wer wir sind, der höre die anderen Folgen. Wir sind heute ohne Daniel unterwegs, der hat Urlaub und Sarah schicken wir nächste Woche in den Urlaub und ich mach irgendwann auch mal Urlaub. Sarah, Du hast eine Studie mitgebracht heute.
00:09:23 Sarah Bühler: Ja, und zwar war ja der Wunsch was zu Feinmotorik zu machen.
00:09:30 Sara Mohr: Ah ja wer hatte sich das nochmal gewünscht?
00:09:33 Sarah Bühler: Ich meine, das war die Praxis Schindler, aber ich bin mir nicht mehr ganz sicher.
00:09:35 Sara Mohr: Ah ja, genau. Genau die Ergotherapie Praxis Schindler hat uns auf Instagram geschrieben, dass sie gerne was zu Feinmotorik Programmen wissen möchte.
00:09:45 Sarah Bühler: Und das fand ich so schwierig, weil Feinmotorik erstmal ein riesen Thema ist und ja auch immer damit zu tun hat was liegt unten drunter oder was ist eigentlich das Problem daran? Ein Kind mit einer umschriebenen Störungen der motorischen Funktionen braucht ein anders Training als ein Kind mit einer Handverletzung. Ich würde davon ausgehen, dass es kein Feinmotorik Programm für alle gibt, das evidenzbasiert ist.
00:10:14 Sara Mohr: Ja, das mach Sinn.
00:10:20 Sarah Bühler: Ich habe überlegt, welche Kinder kommen denn häufig mit Feinmotorik Schwierigkeiten in die Praxis und habe dann eine Studie gefunden sie sich mit ADHS und Feinmotorik auseinandersetzt.
00:10:33 Sara Mohr: Wieviel Prozent deiner Therapie Kinder haben ADHS?
00:10:37 Sarah Bühler: 80%.
00:10:38 Sara Mohr: 80% meistens noch mit einer anderen Diagnose kombiniert, oder?
00:10:42 Sarah Bühler: Ja, in der Regel mit was anderem kombiniert und das ist auch das, was in dieser Studie eben auch ein Thema ist, das ADHS selten alleine kommt. Ich habe die Studie ausgesucht, weil ich die Einleitung auch so schön fand, weil da so gut beschrieben wird, dass häufig die vor allem die Hauptsymptomatik behandelt wird.
00:11:06 Sara Mohr: Nämlich die Unaufmerksamkeit, oder?
00:11:07 Sarah Bühler: Genau und es gibt wenig Evidenz, wie sich das auf die Feinmotorik auswirkt und was man dann eben effektiv tun kann, um die Feinmotorik, insbesondere das Schreiben bei Kindern mit ADHS effektiv trainieren kann. Beschrieben wird auch, dass je nachdem welche Messmethoden eingesetzt werden 30- 50% der Kinder mit einem ADHS auch feinmotorische Schwierigkeiten haben.
00:11:39 Sara Mohr: Ach ok und weiß man da den ursächlichen Zusammenhang? Also weil ich mich schlechter konzentrieren kann, kriege ich in der Schule die Schwungübungen schlechter mit und kann die dann schlechter durchführen? Oder wie?
00:11:51 Sarah Bühler: Da gibt es verschiedene Thesen, auf die wird in der Studie auch ein Stückweit eingegangen. Einmal geht es darum, dass Kinder mit einer Aufmerksamkeitsstörung Motorik anders lernen, dass die zum Beispiel den Arm nicht als ganze Einheit wahrnehmen und dann viel Feedback gebraucht wird.
00:12:13 Sara Mohr: Okay also Feedback heißt propriozeptiven Input?
00:12:16 Sarah Bühler: Nicht unbedingt, sondern es kann auch ein verbales Feedback oder visuelles Feedback sein. Sich selbst instruieren oder eben hinschauen. Nach dem Motto was macht denn mein Arm momentan?
00:12:29 Sara Mohr: Ah, weil die Rückmeldung vom Arm alleine vielleicht nicht reicht.
00:12:33 Sarah Bühler: Eine weiterer These, warum so viele Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen Probleme beim Schreiben haben, kann die Unaufmerksamkeit sein. Dann wird als ein großer Faktor, der das motorische Lernen beeinflusst die Aufmerksamkeit beschrieben. Wenn ich aufmerksam bin, weiß ich was ich tue und mein Gehirn kann es besser abspeichern. Zudem wird behauptet, dass Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen Motorik schlechter über Wiederholungen lernen. Es gibt viele Thesen warum Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen Schwierigkeiten in der Feinmotorik haben. Fakt ist, dass Kinder mit ADHS häufig feinmotorische Probleme haben. Für mich stellt sich die Frage, was können wir diesen Kindern in der Therapie anbieten, um sie effektiv zu fördern. Dazu gibt es noch wenig Evidenz, daher habe ich ein Scoping Review von 2021 aus der Schweiz mitgebracht.
00:13:09 Sara Mohr: Wie heißt der gute Artikel?
00:13:11 Sarah Bühler: How effective is fine motor Training in children with ADHD? A scoping review.
00:13:21 Sara Mohr: Okay, das ist also ich finde es schön, wenn die ganz klare Fragestellung schon im Titel drin ist und man weiß, was auf einen zukommt. Wie effektiv sind Feinmotorik Trainings für Kinder mit ADHS? Zack, Bumm.
00:13:31 Sarah Bühler: Genau jetzt ist es aber so, die haben da nichts großartig berechnet, also das ist nicht so einfach wie gedacht. Aber als ich den Titel gelesen hab, dachte ich auch, da muss ich mal reingucken, das hört sich ja gut an. Scoping Review, was bedeutet das denn Sara?
00:14:00 Sara Mohr: (lacht) schöne Überleitung! Reviews sind ja immer Übersichtsarbeiten also, wir sprechen ja auch ganz häufig von Systematic Reviews, also systematischen Übersichtsarbeiten. Systematische Reviews sind ja so das höchste Evidenz Level, das wir kennen. Weil sie das Ziel haben, alle wissenschaftlichen Studien, die es gibt, zu einer bestimmten Fragestellung zu finden, zu bewerten, und dann diesen ganzen Studienberg zu analysieren und so bekommt man eine Übersicht über die gesamte Forschungslandschaft zu diesem bestimmten Thema und so eine Übersicht ist super wichtig, weil jeden Tag mehr als 7000 neue Studien veröffentlicht werden und da kann man halt schon mal die Übersicht verlieren. Und ich kann mein evidenzbasiertes Arbeiten ja auch nicht auf eine Studie alleine aufbauen, ne bei so vielen Studien gibt es ja auch ganz schön viele, die keine gute Qualität haben und zum Beispiel völligen Quatsch behaupten und nicht gut mit Daten untermauert sind. Es gibt so viele Studien, es ist so unglaublich. Du findest eine Studie für jede noch so realitätsferne Aussage. Also da draußen gibt es bestimmt eine Studie, die sagt das Nase bohren gut für die Feinmotorik ist (lacht). Ja, wenn ich diese Studie finde, heißt das dann, dass ich jetzt mit allen meinen Klient*innen Nase bohren muss, damit sie ihre Feinmotorik trainieren? Hoffentlich nicht (lacht). Also nur wenn es noch 50 weitere Studien zur Feinmotorik gibt, die alle sagen ja, Nase bohren ist die beste Methode zum Feinmotoriktraining. Dann könnte man behaupten, ok, die gesamte Wissenschaftslandschaft, die Forschungslandschaft sagt Nasen bohren ist halt einfach die beste Methode. Es geht also um so einen wissenschaftlichen Konsens, weil Forschung immer aufeinander aufbaut, sich aufeinander bezieht und deshalb ist es so wichtig, diese Übersicht zu haben diese Übersichtsarbeiten. Das heißt übrigens auch, dass ist vielleicht ein ganz guter Punkt für diesen Podcast, wir stellen euch ja immer nur eine Studie vor. Damit wir euch hier keinen Quatsch verzapfen, schauen wir uns natürlich vorher auch an, wie sich diese Studie in die Forschungslandschaft einfügt. Also wir gucken uns noch weitere Studien an, wir gucken uns Leitlinien dazu an, wir lesen andere Quellen zu dem Thema und wir erzählen ja auch immer, dass die wissenschaftliche Evidenz nur ein Drittel eures evidenzbasierten Arbeitens ausmacht. Denn die anderen zwei Teile sind…
00:16:27 Sarah Bühler: Interne Evidenz: Erfahrung, das, was wir als Therapeut*innen mitbringen. Und die Klient*innen Perspektive.
00:16:37 Sara Mohr: Genau diese Komponenten gehören alle 3 zusammen und deshalb versuchen wir auch am Ende immer so ein bisschen das noch mit einfließen zu lassen. Am Ende jeder Folge.
00:16:52 Sarah Bühler: So du hast jetzt erzählt, was ein Systematik Review ist. Jetzt würden wir gerne wissen, was denn der Unterschied zum Scoping Review ist.
00:16:53 Sara Mohr: Ganz genau also Systematic Review: strukturiert, alle vorhandenen Studien zu einer Fragestellung zusammenfassen und bewerten. Scoping Reviews sind ein bisschen so eine Vorstufe zu einem Systematic Review.
00:17:12 Sarah Bühler: Es fühlt sich ein bisschen lockerer an.
00:17:15 Sara Mohr: Im Scoping Review will ich erstmal wissen, gibt‘s denn überhaupt Infos zu dem Thema? Also wir suchen ganz offen Studien, aber Scoping Reviews sind oft auch offen für andere Quellen also das nennt sich dann graue Literatur. Ich finde, das klingt immer ein bisschen mysteriös (lacht). Graue Literatur sind zum Beispiel Vorträge, die mal auf Kongressen gehalten wurden, Poster, die da ausgestellt wurden, Bücher, die darüber geschrieben wurden, nicht peer-reviewte Artikel, Leitlinien, manche Scoping Reviews sprechen auch mit Expert*innen zu dem Thema, das untersucht wird und lassen deren Expertenwissen mit einfließen. Es ist also viel, viel breiter angelegt und guckt erstmal welches Wissen haben wir denn überhaupt zu dem Thema? Die Studien werden oft auch nicht so streng bewertet und eingeordnet, weshalb die Ergebnisse von Scoping Reviews manchmal nicht so wissenschaftlich belastbar sind wie von einem Systematic Review. Aber sie sind einfach eine gute Basis, um danach zum Beispiel ein systematisches Review zu erstellen, weil, dann habe ich so eine Übersicht über diese Forschungslandschaft.
00:18:19 Sarah Bühler: Ja, und um eine Idee zu bekommen wo kann es hingehen, oder? Was gibt es alles?
00:18:22 Sara Mohr: Genau ich habe quasi so mit dem Fernglas einmal über die Forschungslandschaft drüber geguckt, ist also ein sehr guter Einstieg eigentlich in ein Thema.
00:18:35 Sarah Bühler: Genau okay, so zurück zur Studie also was haben die jetzt gemacht? 2021 haben die eine Recherche in verschiedenen Datenbanken durchgeführt. Haben Studien inkludiert, bei denen es um Kinder mit einer ADHS Diagnose beider Subtypen ging, also sowohl mit als auch ohne „H“. Und haben aber auch Kinder mit eingeschlossen, die keine formale Diagnose hatten, sondern bei denen erhöhte ADHS Symptome beschrieben wurden.
00:19:08 Sara Mohr: Also Studien, wo Kinder inkludiert waren, wo nicht ganz klar war, ob die ADHS haben, aber die sind so ein bisschen irgendwie…
00:19:14 Sarah Bühler: Genau also es gibt keine Diagnose, warum auch immer, aber die befinden sich in Therapie. Die Kinder waren zwischen 4 und 15 Jahren und wurden sowohl medikamentös als auch nicht medikamentös behandelt.
00:19:32 Sara Mohr: Okay, sehr gemischt.
00:19:32 Sarah Bühler: Also genau gemischt, also es gab nicht, wie das jetzt bei einem RCT oder so, dass man eine ganz genaue Gruppe hat. Wo man zwischen Kindern mit und ohne Medikamenteneinnahme differenzieren würde. Wir wissen nicht wie ist der Unterschied bei Medikamenten und nicht Medikamenten? Darum geht es nicht. Inkludiert wurden alle Trainingsmaßnahmen, die auf eine Verbesserung der Feinmotorik abzielten.
00:20:05 Sara Mohr: Also theoretisch könnte auch meine Nase bohren Studie da mit drin sein.
00:20:08 Sarah Bühler: Könnte mit drin sein (lacht). Also Nase bohren ist nicht drin, aber es sind Dinge drin, wo wir denken hä, was hat das mit Feinmotorik zu tun?
00:20:17 Sara Mohr: Oh, ich bin gespannt.
00:20:19 Sarah Bühler: Wie gesagt, es gibt hier keine Analyse im Sinne von das ist besser als das andere, sondern das heißt nur das gibt es.
00:20:25 Sara Mohr: Die Übersicht, das wurde untersucht, das hat sich mal jemand angeguckt ja.
00:20:31 Sarah Bühler: Was die aber schön machen, die fassen zum Schluss zusammen, aber da kommen wir ja dazu, was bedeutet das jetzt dann für ein ADHS spezifisches Feinmotorik Training? Aber erstmal weiter bei der Inklusion. Es wurden alle Trainingsmaßnahmen aufgenommen, die eine feinmotorische Komponente haben oder die Verbesserung der Feinmotorik als sekundäres Ziel hatten, also gar nicht unbedingt die Feinmotorik das Ziel war, sondern die Feinmotorik hat sich verbessert.
00:21:01 Sara Mohr: Also Hauptsache, es ging in diesen Studien irgendwie um Kinder, die irgendwie ADHS haben und irgendwas mit der Feinmotorik ist passiert, ja. Sehr breites Feld.
00:21:12 Sarah Bühler: Total breites Feld, ja. Deshalb ist mir wichtig zu sagen da gibt es keine Zahlen dazu, ne, sondern es gibt einen Überblick. Es wurden auch Studien miteinbezogen zur Feinmotorik, Handschrift, Graphomotorik, Visuo-Motorik, Geschicklichkeit und anderen assoziierten feinmotorischen Ergebnissen gemessen wurde, und mit standardisierten Tests zum Beispiel dem BOT. Da wurde eben geguckt haben sich letztendlich die Fähigkeiten verbessert.
00:21:49 Sara Mohr: Okay, ich wollte gerade eine sehr dumme Frage stellen, ich bin ja überhaupt keine Pädiatrietante und ich habe das Gefühl, das wissen alle Pädiatrieleute… in meinem Kopf ist so eine Staffelung. Erst kommt Grobmotorik, dann kommt Feinmotorik, dann kommt Grafomotorik. Kann man das so pauschal banal sagen oder ist das komplexer?
00:22:11 Sarah Bühler: Das ist komplexer, und da kommt es auch immer drauf an, ob du ich bottom oder top down vorgehst.
00:22:17 Sara Mohr: Ja, aber ich meine jetzt so wie die Sachen zusammenhängen, jetzt nicht unbedingt therapeutisch angeguckt, sondern einfach keine Ahnung, wenn ich eine schlechte Feinmotorik habe, kann ich keine gute Grafomotorik haben? Wenn ich keine gute Grobmotorik habe, kann ich gar keine gute Feinmotorik haben? Also baut es so aufeinander auf, ist meine Frage.
00:22:36 Sarah Bühler: Es gibt mit Sicherheit einen Zusammenhang wie groß dieser Zusammenhang ist, kann ich nicht sagen. Okay, dann wurden auch Studien inkludiert, wo die Eltern dann auch nochmal befragt wurden, also in der Regel wurden mehrere Dinge gemacht genau entweder wurde geguckt nach dem BOT, außerdem ein Elternreport war oft dabei und COPM.
00:23:10 Sara Mohr: Okay also Studien mit Kindern, die irgendwie mit ADHS unterwegs sind, es wurde irgendwas mit der Feinmotorik geguckt und die Ergebnisse der Studien wurden anhand des BOT, einem Elternreport oder dem COPM gemessen.
00:23:27 Sarah Bühler: Was ganz cool ist die Forschenden haben nicht nur englischsprachige oder deutschsprachige Literatur verwendet, sondern auch Spanisch und französisch sprachige Studien miteinbezogen.
00:23:44 Sara Mohr: Das macht mein Herz ja ein bisschen froh, weil das ist so ein großes Problem in dieser Forschungslandschaft, dass wir oft – natürlich die Sprache der Forschung ist Englisch – aber es wird ganz viel spannende Wissenschaft publiziert in anderen Sprachen und oft geht das dann unter weil die Forschenden dann halt nur Englisch sprechen. Dass so Sachen nicht inkludiert werden, das finde ich ja schön.
00:24:07 Sarah Bühler: Und dann haben die ganz viel Recherche Arbeit gemacht und sind auf ganz viele Studien gestoßen. Genau letztendlich haben sie 12 Studien inkludiert.
00:24:31 Sara Mohr: Warte mal, warte mal, die haben 12 Studien inkludiert. Zu den Kriterien, die sie festgelegt haben, wieviel hatten sie denn am Anfang, wieviel haben sie denn gescreent?
00:24:32 Sarah Bühler: Viele ich habe mir nicht aufgeschrieben, aber viele ok. Mehrere Hundert…
00:24:42 Sara Mohr: Okay, aber 12 Stunden haben gepasst ok.
00:24:44 Sarah Bühler: 12 Studien haben gepasst genau.
00:24:47 Sara Mohr: Das ist krass ne dann haben Sie das schon so breit formuliert irgendwas mit ADHS, es muss keine Diagnose stehen, es kann alles Mögliche untersucht werden, irgendwas mit Feinmotorik sollte es zu tun haben und trotzdem haben sie nur 12 Studien gefunden. Scheinbar nicht so ein gut untersuchtes Thema.
00:25:07 Sarah Bühler: Genau ja, und da geben Sie in der Einleitung nochmal darauf ein, dass eben hauptsächlich die ADHS Forschung auf die Hauptsymptome konzentriert.
00:25:17 Sara Mohr: Und gar nicht so guckt was ist eigentlich mit der Feinmotorik.
00:25:20 Sarah Bühler: Genau und nicht auf das motorische Lernen eingeht, wobei da ja extrem viele Alltags Probleme dann entstehen, weil wenn ich motorische Probleme habe, beschreiben die, dass 50% der Zeit in der Schule damit verbracht wird, zu schreiben.
00:25:36 Sara Mohr: Ja ja. Und selbst wenn du nicht schreibst jetzt mal Grundschule, dann bastelst du irgendwas, dann klebst du irgendwas, du schneidest irgendwas aus, du musst irgendwas in den Hefter rein heften, du musst irgendwie deine Stiftemäppchen sortieren, du musst beim Sportunterricht mitmachen ist ja alles irgendwie.
00:25:55 Sarah Bühler : Ok also es wurden 12 Artikel in den Abschlussbericht aufgenommen und darunter waren Beobachtungsstudien Case Reports und experimentelle Studien. Da wurde unterschiedliches mit den Kindern gemacht, von Neurofeedback über Virtual Reality Training, Metronom Training, CO-OP, Roboterassistiertes Training. Also ganz viel Verschiedenes. Akupunktur auch. Und eine Studie, die hat repetitive Übungen gemacht. Ok gucken wir mal in der Studie, ob das was bringt. ok ja genau rauskam. Genau also es gab wie gesagt, ich fasse nochmal zusammen. Es gab offline und online Interventionen, also am PC – online ist vielleicht falsches Wort – aber am PC Interventionen, Virtual Trainingsmethoden und das Ganze wurde häufig von körperlicher Aktivität begleitet und wurde durch Trainingseinheiten von Zuhause ergänzt.
00:27:55 Sara Mohr: OK.
00:27:56 Sarah Bühler: Mhm die Trainings Programme waren in der Länge und der Intensität unterschiedlich. Aber wenn man es zusammenfasst, im Allgemeinen, mehrere Wochen und mindestens eine oder mehrere Trainingseinheiten pro Woche.
00:28:11 Sara Mohr: Da waren sich also zumindest die Studien einig, dass man das mindestens einmal die Woche machen sollte, okay.
00:28:19 Sarah Bühler: Alle Interventionen, die aus mehr als einer Sitzung bestanden, führten zu Verbesserungen in der Feinmotorik bei Kindern mit ADHS. Und hatten zudem noch weitere zusätzliche positive Ergebnisse, nämlich teilweise hat sich die Koordination verbessert, teilweise das Verhalten, teilweise haben die Eltern die Kinder anders wahrgenommen.
00:28:48 Sara Mohr: OK.
00:28:51 Sarah Bühler: Genau und die Wirkung konnte bei den Nachuntersuchungen aufrechterhalten werden, wobei da auch die Frage ist was sind denn Nachuntersuchungen? Wann haben die denn genau stattgefunden?
00:29:02 Sara Mohr: Wie lange habe ich denn wirklich da die Benefits? Ist das eine Woche, oder hält das dann ein halbes Jahr?
00:29:09 Sarah Bühler: Ja, steht nicht dabei.
00:29:11 Sara Mohr: Okay, das ist ja super selten an sich, dass Studien so lange Follow Ups machen, das hast du ja oft nicht, weil dann die Teilnehmenden abspringen und so.
00:29:12 Sarah Bühler: Hier auch nicht so lange 3 – 16 Wochen nach Ende der Intervention.
00:29:31 Sara Mohr: OK also maximal dreieinhalb Monate.
00:29:32 Sarah Bühler: Auch wieder unterschiedlich je nach Studie. Genau also wir halten fest, es wurde irgendwas mit den Kindern gemacht: Feinmotorik, Neurofeedback, was auch immer die Feinmotorik hat sich verbessert und es gab weitere positive Effekte. Ja, es gab keinerlei negativen Nebenwirkungen, die beschrieben wurden. Also Verhaltensauffälligkeiten wurden während dieser Intervention nicht schlimmer.
00:30:12 Sara Mohr: (lacht) Das ist ja schonmal schön.
00:30:13 Sarah Bühler: Und die Motorik hat sich in den Tests auch nicht verschlechtert.
00:30:13 Sara Mohr: Und war meine Nasebohren Studie dabei?
00:30:24 Sarah Bühler: Nee, Akupunktur war das, was ich am weitesten weg fand.
00:30:28 Sara Mohr: Aber selbst damit machen wir es nicht schlimmer. Ja, das ist ja schön. Es ist ja sehr wichtig, dass man auch in Studien ehrlich berichtet, wenn es jetzt irgendwelche Effekte gab, die wirklich schlecht waren für die Klient*innen.
00:30:46 Sarah Bühler: Genau was ich interessant fand war, dass sich durch so ein Training nicht nur das Grafomotorische verändert, sondern auch Grobmotorik, Koordination, Timing, Genauigkeit. Diese ADHS Symptome, die Selbstregulierung, exekutive Funktionen sollen sich verbessert haben und die schulische Leistung. Eine richtige Wundertüte ja, aber es wird nie gesagt, wie viel genau ne also. Genau was die dann in der Diskussion diskutiert haben, ist, dass es jetzt um eine ADHS spezifische Behandlung geht und was da dran ist jetzt ADHS spezifisch? Viele der Interventionen haben in irgendeiner Form ein Feedback verwendet, das kann ein visuelles Feedback gewesen sein, ein verbales oder über irgendeine Technik, also über Gaming oder über Neurofeedback.
00:31:50 Sara Mohr: Feedback, das ja jetzt spannend darf ich kurz laut denken? Alles ein bisschen schwammig, weites Feld. 12 sehr unterschiedliche Studien, die vollkommen verschiedene Dinge mit den Kindern gemacht haben, bei allen kam irgendwie was Positives raus. Aber das, was die alle gemeinsam hatten, war oder was viele gemeinsam hatten, war, dass es eine Form von einem direkten Feedback gibt für die Kids. Okay, also könnte man die Hypothese aufstellen, dass es das direkte Feedback ist, auf das es ankommt und nicht, ob du Akupunktur, Nase, bohren oder CO-OP machst?
00:32:29 Sarah Bühler: Ja, diese könnte man aufstellen, die gehen noch einen Schritt weiter und sprechen darüber, dass die Motivation auch eine riesengroße Rolle spielt, dass egal, was wir bei Kindern mit einem ADS oder ADHS machen die Motivation das Herzstück der Therapie sein sollte.
00:32:49 Sara Mohr: Ja, ich glaube, das können wir alle aus Erfahrung bestätigen, da kommt die Berufserfahrungsevidenz mit rein. Ohne Motivation läuft das halt nicht.
00:33:01 Sarah Bühler: Und es wird ein spielerischer Ansatz dann empfohlen und die sehen sehr viel Potenzial in Videospielen. Genau und da sprechen sie nochmal kritisch an, wir wissen ja auch aus Studien, dass Kinder mit einem ADHS auch ein höheres Suchtpotential haben für Gaming. Und die betonen nochmal, dass wir davor keine Angst haben sollten.
00:33:49 Sara Mohr: Ok ja, also ich glaube, wir beide sind da auch ziemlich entspannt, weil Kinder haben im Alltag so viel Medien um sich rum. Und es ist jetzt nicht so, dass wenn die in der Ergotherapie einmal einen Computer sehen, dass die dann sofort Gaming süchtig werden. Also da müssen ja noch andere Dinge mit rein spielen.
00:34:12 Sarah Bühler: Total sehe ich auch so und jetzt auch mal ehrlich sind die Therapieprogramme, die man dann hat, also… (lacht)
00:34:14 Sara Mohr: (lacht) Wie cool findet so 13-Jähriger mit ADHS Cogpack?
00:34:40 Sarah Bühler: Limitationen der Studie: die gehen einmal darauf ein, dass das ein*e Forschende*r alleine war, die*der diese Studien rausgesucht hat ynd angeguckt hat und die sprechen nochmal die Generalisierung der feinmotorischen Fähigkeiten an, dass die anzweifeln, dass es durch so ein Training zu einer Generalisierung kommt.
00:35:16 Sara Mohr: Also Übertrag in den Alltag?
00:35:17 Sarah Bühler: So habe ich es nicht verstanden, sondern eine konstante Verbesserung der feinmotorischen Fähigkeiten.
00:35:27 Sara Mohr: Ah, okay, ja.
00:35:29 Sarah Bühler: Die wird angezweifelt.
00:35:30 Sara Mohr: Okay.
00:35:32 Sarah Bühler: Ja, finde ich, passt auch wieder zu unserer Hypothese, dass es um das Feedback geht. Du guckst so kritisch?
00:35:47 Sara Mohr: Ja, ja okay das heißt, ich muss eigentlich irgendwie schauen mit dem Kind wie kannst du dir sicheres Feedback besorgen, damit du dran bleibst? Und auch rausfinden, welches Feedback funktioniert, ne also das direkt unterschiedliche Arten visuelles, auditives…
00:36:08 Sarah Bühler: Welches Feedback funktioniert für dich, das ist ja auch unterschiedlich genau. Ja, Rhythmus kann noch eine Sache sein.
00:36:16 Sara Mohr: Was wäre denn ein Rhythmus Feedback?
00:36:19 Sarah Bühler: Es gibt Kinder, die dann so (summt im Takt vor sich hin) oder zack, zack, zack sagen.
00:36:23 Sara Mohr: Ach, und dann sagen die sich das selber vor?
00:36:25 Sarah Bühler: Genau dann sagen sie sich das vor oder die Wippen so mit.
00:36:28 Sara Mohr: Ah ja, okay. Ja, das ist ein körperliches Feedback, das auch schön so. Ich war gerade ein bisschen abgelenkt von diesem spannenden Thema, aber ich hatte gerade diesen starken Impuls mir diese Akupunktur Studie anzugucken.
00:36:41 Sarah Bühler: Ja lass mal hören.
00:36:41 Sara Mohr: Hat mir gerade keine Ruhe gelassen. Aber mach du doch erst fertig.
00:36:46 Sarah Bühler: Ja, das war’s von mir soweit, mehr habe ich dazu erstmal nichts zu sagen, sondern ich dachte jetzt können wir mal gucken was du davon hälst.
00:36:53 Sara Mohr: Ja, ich häng immer noch an dem Gedanken vom Anfang, das ist so ein großes Feld. Ein großes Krankheitsbild. Und trotzdem gibt es nur 12 Studien, die sich tatsächlich mit dem Bereich Feinmotorik auseinandersetzen. Also da fehlt uns einfach noch ganz, ganz, ganz viel Wissen, welche Programme, welche Strategien, welche Methoden funktionieren bei Kindern mit ADHS im Bereich der Feinmotorik. In der Studie hier, die setzen jetzt so ein bisschen auf computergestützte Therapie und Virtual Reality das würde halt diese Motivationsfaktor ansprechen und natürlich auch den Feedback Faktor…
00:37:36 Sarah Bühler: Okay. Was machen wir damit jetzt in der Praxis?
00:37:45 Sara Mohr: Ok ok Morgen kommt ein Kind mit ADHS in die Praxis. Erste Klasse, schreiben klappt überhaupt nicht, Feinmotorik. Außerdem kann er nicht mit Messer und Gabel essen. Nicht er, nee, nee, komm lass mal ne sie. Außerdem kann sie nicht mit Messer und Gabel essen, sich die Schuhe binden so. 3 Do’s. Was machen wir?
00:38:05 Sarah Bühler: Erfragen was möchte das Kind lernen, weil wir brauchen Motivation. Ist das überhaupt auch ein Problem von dem Kind, weil sonst wirds schon mal schwierig.
00:38:13 Sara Mohr: Weißt du, was ich mich auch grad frage? Eine spannende Fragestellung für’s Erstgespräch: es gibt ja häufig dann so Betätigungen, wo die Eltern sagen „Ja, da kann er sich konzentrieren! Wenn die Lieblingsserie im Fernsehen läuft, oder beim Lieblingsspiel kann er sich konzentrieren!“
00:38:34 Sarah Bühler: Häufig Handwerk, ne also wenn er mit dem Papa schraubt und baut und das geht stundenlang.
00:38:40 Sara Mohr: Und dann wär ja spannend rauszufinden bei den Betätigungen, wo das Konzentrieren funktioniert, gibt es da ein bestimmtes Feedback gibt es da auditives oder ein visuelles oder ein körperliches Feedback? Genau was ist da?
00:38:52 Sarah Bühler: Was für Strategien werden da genutzt? Also, dass wir auf die Ressourcen schauen, ne, weil die gibt es ja.
00:39:01 Sara Mohr: Das wäre unter dem Gesichtspunkt was hält da die Motivation aufrecht und was sind da die Feedback Faktoren, dass das Kind da so lange dran bleiben kann und können wir die dann irgendwie übertragen auf sowas langweiliges wie Schwungübungen für die Grundschule? Hm, da ist viel ergotherapeutische Kreativität gefragt. Das war mein sehr komplexer Punkt 2.
00:39:24 Sarah Bühler: Mhm ja. Ja, dann weißt du, was da ein tolles Assessment wäre, was ich habe? Das Foto Interview weil die haben so eine tolle Karte, ne Handwerkerkarte.
00:39:37 Sara Mohr: Handwerker Karte?
00:39:38 Sarah Bühler: Mit was ist mein Werkzeug? Dann kannst du Situationen besprechen, wo Dinge gut klappen und es gibt eine Superhelden Karte was sind meine Superkräfte? Und da kann man dann sagen Hey, bei den Situationen nutzt du die und die Superkräfte wie wäre es denn, wenn wir das mal da probieren?
00:39:56 Sara Mohr: Cool, das finde ich ja sehr wertschätzend, beschrieben dann auch für die Kinder. Schön, zuerst redest du mit dem Kind auch erstmal über die Sachen, die es kann und die es cool findet und die motivierend sind, irgendwie und dann redest du erst über das Essen mit Messer und Gabel. Was ja irgendwie auch vollkommen unnötig ist. Volle Transparenz (lacht) ich kann nicht richtig mit Messer und Gabel essen. Also ich habe mal gelernt, dass die meisten Menschen in einer Hand das Messer und in einer Hand die Gabel haben die ganze Zeit. Und dann schneidet man und isst man mit der Linken. Ich habe die Gabel immer rechts und ich benutze die andere Hand, um meinen Kopf aufzustützen und wenn ich mal was schneiden muss, dann wechsel ich das und leg das Messer dann aber wieder weg, damit ich dann meinen Kopf auf stützen kann (lacht), ja habe ich das hiermit öffentlich kundgetan. Ja aber ok, aber manchen Menschen mag das wichtig sein, ja. Ok, cool, eigentlich ne coole Ausage für so eine erste Übersicht ist die Studie eigentlich ganz cool.
00:41:11 Sarah Bühler: Eigentlich kannst du nichts falsch machen.
00:41:14 Sara Mohr: Ja also, die Kinder kaputt machen können wir nicht, nicht mal mit Akupunktur. Ich hab jetzt diese Studie gefunden. Die Akupunktur Studie von 2014 ist ein Case Report was heißt Case Report? Ein Kind, ein neunjähriges Kind mit ADHS das Methylphenidat bekam. Hat dann irgendeine zusätzliche medikamentöse Intervention bekommen, außerdem Akupunktur, angewandte Kinesiologie und Atemübungen und – Wunder Oh Wunder – danach hat es seinen Schlaf und seine Handschrift verbessert.
00:41:52 Sarah Bühler: Ein bisschen weird manchmal.
00:41:54 Sara Mohr: Ich lache jetzt, und das ist fies, weil ich hab’s mir nicht im Detail angeguckt aber ist ein bisschen fishy oder?
00:42:01 Sarah Bühler: Da sind einige Sachen drin, die bisschen fishy sind.
00:42:04 Sara Mohr: Ist ein bisschen fishy… wir gucken mal, vielleicht sprechen wir nächste Folge mal drüber, woran man erkennt, ob eine Studie vielleicht Quatsch erzählt. Soll ich mal so eine kurze Checkliste vorbereiten? Es gibt ja mehr Sachen, woran man erkennen kann, ob eine Studie ne gute oder eine weniger gute Qualität da kann man einfach mal so ne ganz schnelle Runde machen, so 3 – 5 Sachen, an denen ich innerhalb von 10 Minuten erkenne, ob eine Studie Quatsch erzählt?
00:42:48 Sarah Bühler: Ja, okay.
00:42:50 Sara Mohr: Machen wir mal nächstes Mal. Sarah, du bist doch nicht nur die Pädiatrie Expertin, sondern auch die Leitlinien Expertin es gibt eine Leitlinie zu ADHS, ne?
00:43:01 Sarah Bühler: Hm S3 sogar.
00:43:03 Sara Mohr: S3 heißt bestes Leitlinien Level ja ok. Was sagt sie zu Feinmotorik?
00:43:11 Sarah Bühler: Ich wüsste nicht also, gut ist jetzt auch schon wieder ein bisschen her, dass ich die gelesen habe, aber ich wüsste nicht, dass Feinmotorik explizit erwähnt ist. Sondern in der Leitlinie gibt es ja auch viel drum, um Umwelt- und Umfeld-Anpassungen also gar nicht mehr unbedingt kindzentrierte Interventionen, sondern auch Elternzentrierte Interventionen anzubieten.
00:43:33 Sara Mohr: Was heißt das Wissen aus der Studie jetzt für unsere Elterncoachings, für unsere Elternberatungen? Ist es einfach Wissen, was man den Eltern an die Hand geben kann, so diese Feedback Sache, dass die Kinder ein klares Feedback brauchen?
00:43:51 Sarah Bühler: Glaube ich auch dass, das wichtig ist und das es um Motivation auch geht, aber das finde ich einen schwierigen Punkt bei Motivation ist halt also…
00:44:02 Sara Mohr : Wenn halt keine intrinsische Motivation da ist, kriegst du die manchmal nicht rein…
00:44:08 Sarah Bühler: Genau aber die Frage ist auch ein bisschen, müssen Kinder dann immer intrinsisch motiviert sein für Dinge, die sie nicht machen wollen? Oder macht es Sinn, für bestimmte Dinge, die einfach total wichtig sind, um eine Routine aufzubauen, extra zu motivieren? Eventuell über einen Verstärkerplan. Und ich bin auch nicht unbedingt ein Freund von Verstärker Plänen, aber auch da finde ich, kann man wieder differenzieren. Ob man eben was dazu gibt, also positiv verstärkt oder negativ, indem man etwas wegnimmt? Also da ist man ja auch Variablen in der Gestaltung.
00:44:52 Sara Mohr: Ich dachte negativ macht man nicht mehr.
00:44:57 Sarah Bühler: Denkt man, aber viele Eltern kommen ja, wenn das nicht klappt, dann nehme ich das und das weg.
00:45:02 Sara Mohr: Ja, aber dann ist doch die Elternberatung dahingehend, dass ihr…
00:45:04 Sarah Bühler: Natürlich ja, aber ich glaube das ist auch nochmal wichtig zu sagen.
00:45:10 Sara Mohr: Ja ok, also generell sowas mit Eltern mal zu besprechen, wenn sie ein Verstärkersystem machen wollen, wie sollte das aussehen?
00:45:16 Sarah Bühler: Genau dann macht das Sinn, positiv zu verstärken. Und auch zu überlegen, möchte ich materiell verstärken oder über qualitative Zeit gemeinsam? Okay ja, was nicht heißt, dass man vorher qualitative Zeit wegnimmt, aber sagt Hey, wenn du soundsoviel Punkte hast, können wir nochmal ein extra Spiel machen. Was nicht heißt, dass die Sachen vorher nicht stattfinden.
00:45:50 Sara Mohr: Fand ich eigentlich ganz spannend, ich weiß nicht, ob das Informationsbedürfnis von der Ergotherapiepraxis Schindler ausreichend befriedigt ist, weil man wünscht sich ja immer so von Studien, dass die sagen das und das soll man jetzt machen ja genau, aber das gibt es in dem Fall noch nicht, das ist ja eigentlich die klare Aussage jetzt wir haben dazu noch nicht genug Forschung. Das haben sich noch nicht genug Leute mit wirklich guten Studien angeschaut, dass man da eine klare Ansage treffen kann.
00:46:24 Sarah Bühler: Genau und was man gucken kann, man kann auf die Grundsymptomatik eingehen und da wissen wir, dass Motivation bei Kindern mit ADHS eine große Rolle spielt und wir wissen, dass Feedback eine große Rolle spielt. Und das sollten wir auch bei einem Feinmotorik Training nutzen.
00:46:40 Sara Mohr: Ja sehr gut.
00:46:45 Sarah Bühler: Mehr können wir momentan nicht dazu sagen.
00:46:47 Sara Mohr: Habe ich was gelernt, heute über ADHS und Feinmotorik. Wenn ihr andere Fragen habt zu anderen Themenbereichen, dann schreibt uns über das Kontaktformular auf unserer Homepage Ergo-unterwegs.de oder schreibt uns bei Instagram oder bei Facebook. Gerne auch bei Twitter, wenn es euch ein Bedürfnis ist, und ansonsten haben wir gerne Feedback. Bitte diesmal kein Feedback zur Audioqualität ich kann echt nichts dafür. Doch ich kann alles, ich kann alles dafür, ich habe es persönlich verkackt (lacht). Ich bin mir dessen bewusst. Genau, aber ansonsten freuen wir uns von euch zu hören. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht.
00:47:34 Sarah Bühler: Mir auch.
00:47:36 Sara Mohr: Dann hören wir uns nächstes Mal wieder.
1 Comment
Ramona
26. März 2024
Hallo,
vielen Dank für die tolle Podcast Folge. Gibt es denn auch Studien dazu welche Feinmotorik-Programme die größten Erfolge bei Kindern mit feinmotorische Schwierigkeiten erzielen und gibt es eventuell Unterschiede welches Programm am besten geeignet ist, bezüglich der Ursachen/ Krankheiten die zu den feinmotorische Problemen führen? Also sollte z.b. für ADHS etwas anderes verwendet werden als bei einer Entwicklungsverzögerung? Viele Liebe Grüße, Ramona.